|
DIE HÖLLE VON HENRI-GEORGES CLOUZOT
BESTELLEN
Regie: Serge Bromberg, Ruxandra Medrea
Bild: 1,78:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Französisch (Stereo DD)
Untertitel: Deutsch
Extras: „Seine Gefangene“ – der Nachfolgefilm und zugleich
die letzte Regiearbeit von Henri-Georges Clouzot (1968, ca. 102 Min.);
„Sie haben die Hölle gesehen“ – 57-minütige
ergänzende Dokumentation; Interview mit Regisseur Serge Bromberg;
umfangreiches Booklet; Fotogalerie; Trailer
Bonusfilm:
Seine Gefangene
Originaltitel: La Prisonnière
Produktionsjahr: 1968
Produktionsland: Frankreich
Lauflänge: ca. 102 Minuten
Regie: Henri-Georges Clouzot
Bild: 1,33:1 (4:3 Vollbild)
Sprachen/Ton: Deutsch, Französisch (Mono DD)
Henri-Georges Clouzot („Lohn der Angst“)
zählt zu den profiliertesten Filmemachern Frankreichs. Lange Jahre
Vorbild der aufstrebenden Nouvelle vague, trat er 1964 an, selbst die
Filmsprache zu revolutionieren. DIE HÖLLE mit Romy Schneider und
Serge Reggiani wurde sein ehrgeizigstes Projekt. Mit Farb- und Verfremdungseffekten,
rotierenden Lampen und surrealen Akzenten wollte er diese Eifersuchtsgeschichte
ganz anders erzählen. Doch nach nur drei Wochen Drehzeit wurde die
Produktion abgebrochen. Clouzot hatte sich mit drei parallel arbeitenden
kamerateams verzettelt. Sein Hauptdarsteller setzte sich ab und der Regisseur
erlitt einen Herzinfakt. 15 Stunden gedrehtes Filmmaterial verschwanden
in einem französischen Filmarchiv und wurden zu einem Mythos des
französischen Kinos.
2005 traf der junge Filmarchivar und Regisseur Serge Bromberg
die Witwe Clouzots. Er bekam von ihr die Erlaubnis, die Filmbüchsen
erstmals zu öffenen. Was er fand, schien tatsächlich seiner
Zeit weit voraus: "Ein unvollendeter und unsichtbarer Film, ein rätselhaftes,
unwahrscheinliches Meisterwerk," erinnert sich Bromberg, "das
war wie eine Herausforderung, fast ein Spiel, und ich nahm mir an jenem
Tag vor, mich auf die Suche nach den Filmbüchsen zu machen, die wir
für verloren hielten. (...) Ich beschloss, die Zeugen aufzusuchen.
Ich musste die Geschichte kennenlernen, um sie besser erzählen zu
können. Ich wusste damals noch nicht, dass sie uns bis heute, nach
drei Jahren Recherche, teilweise verborgen bleiben würde. Clouzot
hatte ein seltsames Labyrinth gezeichnet, dessen Ausgang ich nicht kannte.“
DIE HÖLLE VON HENRI-GEORGES CLOUZOT ist Brombergs Hommage
an diesen Filmmythos. Neben Interviews und ausführlichen Ausschnitten
finden wir hier Szenen von den Dreharbeiten und nachträglich inszenierte
Schauspielsequenzen, die die inhaltlichen Lücken füllen - denn
das Drehbuch ist bekannt, Claude Chabrol hat es später ohne Ecken
und Kanten konventionell neuverfilmt. Es bleibt die Ahnung, was DIE HÖLLE
hätte sein können - ein bizarrer, subjektivistischer Psychothriller,
zwischen Bunel und Polanskis EKEL angelegt, oder gar nah an Chabrols frühem
Meisterwerk DER RISS. Es bleibt eine Ahnung des Obsessiven, das Clouzot
trieb. Und mit Romy Schneider stand ihm ein unvergleichlicher Star zur
Verfügung. Brombergs Hommage ist genau das - aber nicht allzu viel
mehr. Die eigentliche Stärke liegt in den zitierten Sequenzen. Und
genau deshalb kann man auf diesen Dokumentarfilm nicht verzichten. Die
Ahnung zählt.
Die DVD-Box enthält zudem eine eindrucksvolle Geheimwaffe
als Bonusmaterial: Clouzots letzten Film SEINE GEFANGENE, der zahlreiche
Elemente, die für DIE HÖLLE erprobt wurden, einsetzt. Dieser
erotische Thriller in der Tradition von Alain Robbe-Grillet ist mit Laurent
Terzieff, Bernard Fresson und Elisabeth Wiener hervorragend besetzt. Terzieff
ist aus LETZTES JAHR IN MARIENBAD, DIE MILCHSTRASSE und INFERNO von Dario
Argento bekannt und überzeugt hier als nahezu impotenter Voyeur und
Fetischist, der das Leben des promisken Pärchens Josée (Elizabeth
Wiener) und Gilbert (Bernard Fresson) durcheinander bringt. Für Josée
erscheint der Galerist Stanislas (Terzieff) als satanischer Verführer.
Er zeigt ihr Aktfotos, die sie auf das Tiefste verstören; nichtsdestotrotz
möchte auch sie als Aktmodell für ihn posieren. Entgegen ihrer
Abmachung mit Gilbert, sich von anderweitigen Affären zu erzählen,
verheimlicht sie die entstehende Beziehung zu Stan. Als Gilbert wegen
einer Ausstellung ins Ausland reist, fährt sie mit Stan in die Bretagne.
Zunächst verleben sie eine unbeschwerte Zeit, doch dann kommt es
zum Eklat. Als Gilbert kurz darauf von der Affäre erfährt, droht
er Stan umzubringen.
Ähnlich obsessiv wie DIE HÖLLE ist auch dieses
sadomasochistische Drama angelegt, das in einem weiteren Sinne inhaltlich
BELLE DE JOUR, DIE GESCHICHTE DER O und MAITRESSE vorwegnimmt. Von besonderer
Bedeutung sind hier die Fotoarrangements und der diskursive Akt des Sehens,
Elemente, die auch Robbe-Grillets erotische Szenarien jener Jahre bevölkern.
Als Fotomodell ist Dany Carrel zu sehen, welche die Freundin Odettes/Romys
in DIE HÖLLE spielt.
SEINE GEFANGENE ist ein erstaunlich freizügiger
und packender Film, der mit Untertiteln und in einwandfreier Qualität
vorliegt (als Bonus finden wir hier nur einen Trailer). Er alleine rechtfertigt
den Kauf der DVD-Box, die gediegen gestaltet ist, aber eben nicht genau
das enthält, was der Filmfan ersehnen mag: DIE HÖLLE von Henri-Georges
Clouzot.
Marcus Stiglegger
|