Darkwood

Notwendfeuer

(Heidenvolk/Tesco 2006) CD 10 Tracks

Lady Morphia

Essence and Infinity

(Tesco 2006) CD 10 Tracks

V.A.

Forseti lebt

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(Noltex/Auerbach 2006) CD 12 Tracks

Obwohl Orplid und Forseti vermutlich die bekanntesten deutschsprachigen Folkformationen jener neoromatischen Subkultur sind, waren sie doch nie alleine: Henryk Vogels Band Darkwood aus Finsterwalde hatte noch auf dem inzwischen seit Jahren verschiedenen britischen Label World Serpent, das auch Sol Invictus, Current 93 und Coil vertrat, die erste CD herausgebracht. Und während man zu Beginn noch mit Klangcollagen und martialischem Lagerfeuerfolk auf Englisch dem großen Vorbild Sol Invictus nacheiferte, hatte Forseti längst eine ganz eigene Form (mittel)deutscher Folklore geprägt.

Nach einigen vereinzelten deutschen Texten gelang Darkwood mit „Des Falken Flug“ eine langlebige Ballade, und die aktuelle CD, die sich der unpopulären Themen „Jugend und Feuer“ annimmt, schließt direkt an diesen rein akustischen Charakter und melancholisch-ernsthaften Text an. War die CD „Weltenwende“ noch geprägt von einem durchaus utopischen Geist, erscheint „Notwendfeuer“, ein Synonym für die „Sonnwendfeuer“, ganz zurückgewandt in die Zeit der Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als es gleich zwei Generationen in verheerende Kriege trieb. „Notwendfeuer“ bringt diese Ideen von Pathos, Verlust und Trauer in schnörkelloser Lyrik nah, teils Trakl zitierend, teils aus eigener Inspiration schöpfend. Identitätssuche und Opfergang liegen nahe, werden in „Verlorenes Heer“ und „Totenburg“ thematisiert und ohne Brüche oder deutliche Ambivalenzen vermittelt. Das macht diese CD nicht sehr bequem, reflektiert sie doch einen Geist, der dieses Land in apokalyptischer Zeit durchwehte und stellt selbigen nicht offensichtlich bloß. Manch einer wird sich daran stören. Doch eine Auseinandersetzung ist das Album allemal wert, macht es doch verdrängtes spürbar und erinnert an eine längst vergessene Generation, die „Jugend im Feuer“. Und musikalisch gibt er hier einiges zu erleben: melodiöse, erlesene Folkmusik, mit Gitarre, Streichern, Harmonium, Trompete und Schlagwerk präsentiert und von ernstem Gesang getragen...

Einen anderen Weg wählt die britische Formation Lady Morphia – ein Synonym für Morphium, das im Krieg half, Schmerzen zu lindern. Die beiden Nedzynski-Brüder, die die Band seit 1996 pflegen, kommen aus der Gothicrockszene, was man einigen Stücken auch anhört (dem treibenden Track 3 „Fallen Empires“ etwa). War die erste CD „Recitals to Renewal“ als Auseinandersetzung mit Ernst Jünger gedacht, widmet sich das neue Album „Essence and Infinity“ der Geschichtsphilosophie von Oswald Spengler – aus sehr persönlicher Sicht allerdings. Dazu ist anzumerken, dass sich Nick N. auch wissenschaftlich mit diesen Themen beschäftigt und fließend Deutsch gelernt hat, was man einigen Stücken auch anmerkt. Anders als Darkwood suchen Lady Morphia mit jedem Stück eine neue stilistische Annäherung, bedienen sich düsterer Collagen, rockiger Beats, funkiger Bassläufe, voller Orchesterparts sowie rhythmischer Folkgitarre. Das nimmt wenig von den kontroversen Aspekten des Themas, gestaltet dieses aber nicht affirmativ, sondern im fließenden Diskurs. Was bei Darkwood melancholisch-retrospektiven Charakter hat, gerät hier zur philosophischen Betrachtung vergessener Ideen und verdrängter Werte, ein bemerkenswertes und ernsthaftes Unternehmen, das einiges Hintergrundwissen erfordert und zur eigenen Auseinandersetzung einlädt.

Romantisch verklärter war stets Forseti mit einer an Pantheismus gemahnenden Spiritualität. Doch Forseti wird aufgrund der gesundheitlichen Verfassung von Andreas Ritter wohl keine Musik mehr veröffentlichen. Anlass für die zahlreichen Weggefährten Ritters, eine Compilation „Forseti lebt“ zu organisieren, die Lieder im neoromantischen Geiste und mit akustischen Mitteln präsentiert und Forsetis Stil weiterführt. Meister ihres Fachs finden sich da: Death in June, B’eirth von In Gowan Ring, Darkwood, Sonne Hagal, die allesamt mit überzeugenden Beiträgen glänzen. Erstaunlich, dass gerade Profis wie Ian Read von Fire + Ice, Of the Wand and the Moon und Lux Interna hier eher durch schräge Einlagen glänzen. Bei Waldteufel ist der rustikale Klang ja Prinzip. Was bleibt ist eine vielseitige und meist eingängige Hommage, die einen guten Einblick in die neue Folkmusik gewährt. So kann man mit Sicherheit sagen: Forseti lebt. Und noch mehr: Folkmusik lebt – auch in widriger Zeit.

Christoph Donarski