DER GROSSE JAPANER. DAINIPPONJIN

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Anbieter: Rapid Eye Movies
Originaltitel: Dainipponjin, Japan 2007
Regie: Hitoshi MATSUMOTO
Laufzeit: 113 Minuten
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Deutsch DD 5.1, Japanisch DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar (Jörg Buttgereit und Alexander Zahlten), Making-of, Entfallene Szenen, Kinotrailer

Skurril und überdimensional geben sich die Stars des Daikaiju eiga, des japanischen (Riesen-) Monsterfilms. Dem steht auch das Kinodebut von Japans Comedy-Titan Hitoshi Matsumoto (alias Hitosi Matumoto) DER GROßE JAPANER. DAINIPPONJIN in nichts nach. Als Co-Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion wirft er seinen ganzen Erfindungsgeist in die Waagschale und schafft damit eine bohrende Analyse japanischer Befindlichkeiten im Gewand einer liebevollen Parodie auf die Latex-Giganten Godzilla, Gamera und Co.

Daisato (Hitoshi Matsumoto) „Der große Japaner“ umgibt sich gern mit Dingen, die bei Bedarf größer werden. Im einst florierenden Superhelden-Geschäft jedoch ist an Expansion derzeit nicht zu denken. Zwar wird das Land der aufgehenden Sonne noch immer von laichenden Hochhauswürgern, augenschleudernden Zyklopenhühnchen und paarungsfreudigen Stinkekraken heimgesucht, doch deren Abwehr bringt dem elektrifizierten Helden in 6. Generation alles andere als Glanz und Glorie ein. Das japanische Volk bedankt sich für Daisatos Einsatz mit diffamierenden Schmierereien und Müll im Vorgarten, fliegenden Ziegelsteinen und einem Dauersendeplatz seiner bizarren Kämpfe im Nachtprogramm des Fernsehens. Sein spärliches Gehalt muss der DAINIPPONJIN daher mit Hilfe seiner verwestlichten Managerin (Ua) mittels Plätzchenwerbung auf dem Rücken aufbessern. Frau und Tochter sind ihm völlig entfremdet und der geliebte, aber stromgeschädigte Großvater vegetiert in einem Altersheim dahin. Trotzdem führt Daisato seinen Kampf mit an Ignoranz grenzendem Phlegma fort, bis die Implosion der Illusionen im gnadenlos grandiosen Finale des Films unvermeidlich wird.

Wenn Daisato auf seinem Mofa lethargisch den von Hasstiraden gesäumten Weg zum Helden-Transformationszentrum hinter sich bringt, untermalt von den gleitend rhythmischen Klängen von Towa Tei und dem Zwitschern der Vögel, wenn die Kamera dazu beiläufig das goldene Laub und die sanften Sonnenstrahlen einfängt, dann zeigt sich die Klaviatur filmischen Ausdrucks, die Hitoshi Matsumoto in DAINIPPONJIN nutzt: tragisch, melancholisch, poetisch, bissig, irritierend und dennoch urkomisch. Der Witz des Films entfaltet sich fernab von albernem Klamauk durch Matsumotos Gespür für Timing und (Selbst-) Ironie. Zudem arbeitet er als Hauptdarsteller sensibel und mit präziser Mimik und Gestik die Tragik einer schwindenden Existenz heraus, deren Alltag nur durch die Flucht in bescheidene Illusionen erträglich wird. Dem abgrundtiefen Understatement der liebevoll ausgestatteten, mockumentarischen Alltagsszenen setzt Hitoshi Matsumoto gekonnt den schöpferischen Exzess der betont künstlichen, an Einfallsreichtum wohl kaum zu überbietenden CGI-generierten (Anti-) Kampfszenen entgegen. Doch der Gegensatz besteht nur scheinbar. In einer Doppelbewegung von Konstruktion und Subversion treibt Matsumoto seinen selbstreflexiven medialen Wirklichkeitsdiskurs voran, der den Überbau für seine bissige Gesellschaftssatire bildet. So verzweigen sich die Ebenen im letzten Drittel des Films, bauen sich komplex auf und treten gleichsam zu einer wuchernden Masse zusammen. Ebenso sind die Kontrastierungen von Tradition und Moderne, Schein und Sein, die den Film thematisch strukturieren, keineswegs in naiver Schwarzweißmalerei belassen, sondern bieten Raum für Ambivalenzen und Differenzierungen, die in ihrer Komplexität nach und nach vom Zuschauer erschlossen werden möchten.

Die DVD des Labels Rapid Eye Movies präsentiert sich in gewohnt scharfen, kontrastreichen Bildern und guter Tonqualität. Leider sind die beigefügten Extras nicht so uneingeschränkt genießbar. Die entfallenen Szenen sind wenig ergiebig und das Making-of dürfte aufgrund der starken Fokussierung auf Superstar Matsumoto nur für echte Fans des sympathischen Mannes aus Osaka über die volle Distanz von 60 Minuten spannend bleiben. Der Kinotrailer als Standardzugabe vermag diese Mankos kaum zu kompensieren. Entschädigung bietet dafür der Audiokommentar von Kaiju-eiga-Kenner Jörg Buttgereit und Japanexperte Alexander Zahlten. Nach etwas holprigem Beginn entwickelt sich deren Plauderei zu einem kurzweiligen, intelligenten und mit sachdienlichen Hinweisen angefüllten Vergnügen.

Es bleibt zu hoffen, dass DER GROSSE JAPANER. DAINIPPONJIN nicht der letzte Leinwandausflug Matsumotos bleibt. Das Warten kann und sollte man sich bis dahin mit dieser empfehlenswerten DVD versüßen.

Christiane Borchert