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COLUMN ONE
Feldaufnahmen I
CD, 12 Tracks, im Digipack Auf Abwegen
Seit 1991 stehen COLUMN ONE für sperrige, teils selbst
für PostIndustrial Verhältnisse extrem abgedrehte Klänge
und für ebenso schrille bis verstörende Auftritte. Nicht selten
reagiert das Publikum während einer Darbietung völlig überfordert;
bisweilen ist sogar der gerne benutzte Begriff „Kunstscheiße“
zu hören. Ob COLUMN ONE nun brillante, der Burroughschen „CutUp“-Tradition
verhaftete Verrückte oder überambitionierte Spinner sind, soll
der Zuhörer selber für sich beantworten, dann tunlichst einen
Bogen um diese Truppe machen und aufhören, den begeisterten Zuhörern
mit Zwischenrufen das Konzert zu vermiesen. Soviel dazu! COLUMN ONE stehen
für sich und auch nur für sich. Es kann davon ausgegangen werden,
dass es bei ihrem künstlerischen Output in keiner Sekunde darum geht,
den Zuschauer irgendwie zu unterhalten oder mit plakativen Botschaften
zu traktieren.
Auf ihrer neuen CD zeigen sie sich jedoch von einer sehr
ungewöhnlichen Seite: Wurden ihre Collagen früher eher von elektronisch
wirkenden, teils perkussiven und stark unterkühlten Elementen dominiert,
so bekommt es der Zuhörer hier, wie es der Name verspricht, ausschließlich
mit Feldaufnahmen zu tun. Laut des Booklets wurden diese Geräuschschnipsel
auch nur minimal nachbearbeitet. Es handelt sich hier quasi um ein Landschaftsportrait
des Polenztals in der Nähe des Elbsandsteingebirges. Selbst die Orte,
an denen die einzelnen Aufnahmen entstanden sind, sind in einer Karte
verzeichnet. Gerade das macht dieses Album – im Gegensatz zu einer
erdachten, arrangierten und artifiziellen Toncollage, wie sie eigentlich
üblich sind – durch und durch zu einer Dokumentation. Selbst
Konzeptalben mit Feldaufnahmen streuen meist noch synthetische Geräusche
bei, um zusätzliche Spannung zu erzeugen. Einzig der „Shipwreck
Radio“ Zyklus von NURSE WITH WOUND kommt einem hierbei noch in den
Sinn. Allerdings handelte es sich dabei wirklich um ein schlaffes, kreativ
vernachlässigbares Machwerk. Auch bei dem hier besprochenen Tonträger
fällt es leicht, diese harschen Worte zu bemühen. Ob hier wirklich
viel Kreativität im Spiel war, bleibt auch weiter fraglich; trotzdem
strahlen die Aufnahmen eine einfache und unaufdringliche Schönheit
aus. Der Zuhörer wird gezwungen, sich ganz den Geräuschen zu
widmen, die er im Alltag gerade aufgrund ihrer Gewöhnlichkeit schlicht
überhören würde: Schritte, Hundebellen, das Fließen
eines Baches und das Surren verschiedener Insekten – eine absolut
radikale Rückbesinnung auf die Musik und Harmonie unserer Natur.
Es ist ein fragiles, aber sehr kraftvolles Werk, das einen dazu animiert,
das eigene Gehör zu schärfen, um nicht auch in Zukunft auf das
Paradox angewiesen zu sein, die klangliche Ästhetik des eigenen Umfelds
erst auf digitalen Tonträgern zu bemerken. Kurios, dass ungefilterte
Natürlichkeit als abstrakter wahrgenommen wird als künstliche
Geräusche.
Daniel Novak
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