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COLD FISH
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Originaltitel: Tsumetai nettaigyo (Japan 2010)
Regie: Shion Sono
Drehbuch: Shion Sono
Musik: Tomohide Harada
Kamera: Shinya Kimura
Produzent: Akifumi Sugihara, Toshiki Kimura, Yoshinori Chiba
Schauspieler: Mitsuru Fukikoshi, Megumi Kagurazaka, Hikari Kajiwara, Asuka
Kurosawa, Tetsu Watanabe
Audio: Japansich DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Bild: 2,35:1 (16:9)
Extras: Making-of, Kinotrailer
FSK: ab 18
Japan 2010, Regie: Sion SONO, 144 Min.
Wenn ein japanischer Künstler sich eine Aufmerksamkeit
als enfant terrible sichern will, dann bezeichnet er sich als 'Punk'.
Sion Sono haftet dieses Etickett bereits seit seinem ersten Erfolg mit
dem grandiosen Horrorfilm SUICIDE CIRCLE an, der mir exzesiver Gewalt,
jugendlichem Übermut und mystischer Exzentrik Takashi Miike vom Thron
stieß. Noch einmal konnte Sono an diese Qualität anknüpfen:
In dem obsessiven Erotikthriller STRANGE CIRCUS, der eine neue, absolut
verantwortungslose Qualität des japanischen Kinos anstrebte. NORIKO'S
DINNER TABLE, eine vierstündige Fortsetzung von SUICIDE CIRCLE zeigte
dann jedoch eine Tendenz, die Sono bis heute (und speziell in LOVE EXPOSURE)
vorantreibt: den Hang zur Überlänge, der den eigentlichen Charme
seiner anarchischen Inszenierungen oft auf halber Strecke verenden lässt.
COLD FISH kündigt sich nun als böser kleiner Thriller
an: Um tropische Fische, das zerbrechen der Familie und einen Serienmörder
geht es - keine neuen Themen, will man meinen. Im Zentrum steht Shamoto,
ein braver Familienvater, der ein kleines Geschäft für Tropenfische
gemeinsam mit seiner blutjungen und schönen zweiten Frau Taeko betreibt,
die in dieser Welt zu verwelken droht. Als Shamotos rebellische Tochter
- auch dies ein Sono-Standard - beim Ladendiebstahl erwischt wird, macht
er die bekanntschaft des extrovertierten und charismatischen Murata, dem
Inhaber von „Amazon Gold“, einem Supermarkt unter den Zierfischläden.
Murata entpuppt sich bald als skrupelloser Serienmörder, der fast
sechzig Menschen auf dem Gewissen hat und Shamoto hemmungslos instrumentalisiert.
Doch indem er den unsicheren Konkurrenten in seine korrupten und blutigen
Aktivitäten einweiht, leitet er den eigenen Untergang ein...
das alles ist von einem wahren Fall inspiriert, entfernt
sich jedoch auf surrealen Sohlen alsbald vom alltäglichen Geschäft
und fabuliert ein zynisches Modell von Kapitalismus, Menschenverachtung
und Werteverlust. Dabei baded sich dieser zweite Teil von Sonos Hass-Trilogie
(LOVE EXPOSURE, GUILTY OF ROMANCE) genüsslich in ausgewaideten Leichen,
erzwungenen Sexakten und eine Kleinen Armee von Schulmädchen in Hotpants
- very Japanese im Auge des westlichen Filmfans. Warum diese zynischen
Exzesse im strengen Deutschland eine ungekürzte Freigabe bekamen,
liegt an dem problem des Films: Er ist ungefähr ein Drittel zu lang
und erschöpft sich in der Mitte; die Splatterszenen mit Litern von
hellrotem Blut erscheinen bizarr und schwarzhumorig; die Charaktere werden
bewusst modellhaft und ironisch entwickelt. COLD FISH ist eine schwarze
Komödie, eine Abrechnung mit dem familienfernen Ultrakapitalismus
Japans. Nicht neu, aber professionell inszeniert. Nicht originell, dafür
weitgehend unterhaltsam. Was fehlt, ist die verstörende Mystik der
frühen Filme...
Die DVD von Rapid Eye Movies liegt in gestochen scharfem
Bild und japanisch mit deutschen Untertiteln vor. Neben dem Trailer kann
man noch ein typisch japanisches Making-Of sehen, das jedoch wenig Aufschluss
bietet. COLD FISH ist eines der seltenen Signale aus dem gegenwärtigen
Brachland der japanischen Filmproduktion, also lohnt er einen Blick für
den aufgeschlossenen Genrefan. Wunder sollte man nicht erwarten...
Marcus Stiglegger
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