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Cold Cave
Cherish the Light Years
Label: Matador Records
Format: CD, Vinyl
Veröffentlichung: 5. April 2011
„I will come running
Gunning through the years
Hunting heart
Crushing fear
...
Forever haunted
By the roads I know
And if not above
I’ll see you below“
Diese wenigen Zeilen, aus dem ersten Stück „The
Great Pan is Dead“, des neuen Albums von Cold Cave symbolisieren
in verdichteter Form dessen gesamte Atmosphäre und Thematik. Verlust,
verzweifelte Suche und morbide Tristesse prägen den zweiten Longplayer
„Cherish the Light Years“ und gehören zum stetigen Sujet-Haushalt
von Sänger und Mastermind Wesley Eisold. Dessen bisherige Karriere
begann im US-Hardcore mit der Band Give up the Ghost, führte über
das Noise-Punk Ensemble Some Girls, und bewegt sich nun mit Cold Cave
auf den Spuren des 80er Electro-Pops. Die Intensität frührer
Schaffensphasen wurde hierbei allerdings beibehalten und in den neuen
Kontext integriert. Im Vergleich zu dem Cold Cave-Debüt „Love
Comes Close“ (2009) ist „Cherish the Light Years“ sehr
temporeich ausgefallen und erinnert in Bezug auf die Dynamik stärker
an Eisolds Vergangenheit.
Neben den festen Mitgliedern Jennifer Calvin, Guy Licata
und Dominick Fernow (Prurient), sind auf dem Album zahlreiche Gastmusiker
vertreten, die die einzelnen Songs unterschiedlich instrumentieren. Dennoch
verfolgt das Album eine sehr homogene Sound-Ästhetik und wirkt in
sich geschlossen. Stilistisch orientieren sich Cold Cave vor allem an
den 80er Jahren und zitieren Depeche Mode, New Order sowie The Cure. Die
Verweise sind meist indirekt, teils allerdings auch überdeutlich
klar zu verorten. So könnte „Confetti“ ohne weiteres
ein Out-Take aus The Cure’s Disintegration Phase sein. Diese Reminiszenzen
sollten jedoch weniger als bloße Kopien gelesen werden und tragen
vielmehr ikonische Züge. In bewusster Bezugnahme werden Elemente
aufgenommen, verarbeitet und als bekannte Sinnträger in das eigene
Werk integriert. Dabei findet an einigen Stellen auch eine Umkodierung
der Bedeutungen statt. Vor allem Eisolds Texten kommt diesbezüglich
eine bedeutsame Rolle zu.
In „Catacombs“, das mit der Zeile „Your
hair will return to ist natural color – You’ll move to a new
town and on to another“ endet, thematisiert Eisold mittels einer
fast plumpen Metapher die Orientierungs- und Ziellosigkeit unserer Tage.
Diese existentiellen Überlegungen verpacken Cold Cave in diesem Falle
in ein poppiges Arrangement, das die Smiths ins Gedächtnis ruft.
In einem Interview gibt Eisold – der seine Quellen nie verschweigt
- neben Morrisey allerdings auch Genocide Organ als Hauptinspirationsquellen
von „Cherish the Light Years“ an. Diese sind allerdings, außer
in D. Fernows dezent abgemischten Noise-Flächen, nicht hörbar
präsent. Der Gesamteindruck des Albums ist, neben den schon angesprochenen
Zitaten und Entlehnungen, vor allem durch den eindringlichen Gesang geprägt,
bei dem Eisold bei vielen Stücken von J. Calvin unterstützt
wird. Die Stimmungen variieren von desillusionierter Düsternis bis
zu kathartischer Euphorie, die das letzte Stück „Villians of
the Moon“ durchströmt und „Cherish the Ligth Years“
somit ambivalent beendet.
Das Artwork der Platte, dessen Frontseite ein Schwarz-Weiß
Protrait zeigt, ist in schlichtem Schwarz gehalten. Während man auf
den ersten Blick vermutet eine Frau auf dem Cover zu sehen, verrät
ein genauerer Blick, dass es sich um Wesley Eisold selbst handelt. Die
Kapuze verleiht ihm die Aura einer Maria-Ikone, die mittels der Sonnenblumen
als Fruchtbarkeitssymbol noch zusätzlich verstärkt wird. Durch
die Farblosigkeit der Photographie sind diese Symbole allerdings neu konnotiert
und um eine eigene Bedeutungsebene angereichert. Diese Mehrdimensionalität
macht aus „Cherish the Light Years“ ein wirklich aufregendes
Album, das auch bei mehrmaligem Hören neue Facetten offenbart und
seine Qualitäten in den Details angelegt hat. Dass Cold Cave hierbei
musikalisch keine echten Innovationen bieten und konstant in die Vergangenheit
blicken, ist möglicherweise eine der konsequentesten Metaphern für
eine von der Gegenwart enttäuschte, und sehnsüchtig auf das
Gewesene fixierte Grundhaltung.
Patrick Kilian
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