COBRA VERDE
4 / 5 Sterne
D 1987
Regie: Werner Herzog
Bild: 1,78:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (5.1), Englisch (2.0)
FSK: ab 12 Jahren
Bonus: Audiokommentar von Herzog und Laurens Straub, Fotogalerie, Biographien,
Trailer (nicht für COBRA VERDE), Dokumentation HERZOG IN AFRIKA (Ausschnitte)
Ernsthafte Filme zum Thema Sklaverei im 19. Jahrhundert
sind selten. Auffällig ist eher ein Bagatellisierung dieses wichtigen
und tragischen Kapitels der Kolonialgeschichte im Rahmen von Genrefilmen.
Bei amerikanischen Filmen wie Richard Fleischers MANDINGO (bei Kinowelt
in Vorbereitung) und Steven Spielbergs AMISTAD herrscht zudem eine weiße
Erzählperspektive vor, die den eigentlich betroffenen Afrikanern
kaum eine Stimme lässt. Lediglich die AMISTAD-Variante VERDORBENE
FRACHT konnte die Thematik um einen Perspektivwechsel erweitern - aber
auch dieser Film ist von einem weißen Independentregisseur inszeniert.
Verfilmungen von 'Onkel Toms Hütte' prägten ein Klischee im
Umgang mit dem Thema, Exploitationfilme beuteten es aus (Russ Meyers BLACK
SNAKE etwa). Lediglich die radikale Semidokumentation ADDIO ONKEL TOM
von Jacopetti und Gualtieri verschaffte eine Ahnung davon, wie es gewesen
sein könnte. Und dieser Film ist kaum bekannt... (erschienen bei
Blue Underground auf DVD).
Nun ist Werner Herzogs Annäherung an das Thema heute
neu betrachtet beweitem nicht so schglecht wie der vorauseinlende Ruf,
doch auch dieser Film tappt durch seine Perspektive in einige Fallen.
COBRA VERDE erzählt mit Klaus Kinski in der Hauptrolle von der Odyssee
des Banditen Francisco Manoel da Silva, der zunächst zum verwalter
einer Plantage in Brasilien ernannt wird, dessen drei minderjährige
Töchter schwänghert und zur Strafe als Sklavenhändler nach
Afrika geschickt wird. Dort ist die koloniale Infrastruktur bereits zusammengebrochen,
und da Silva gelingt es nur unter Mühe und mit äußerstem
Verhandlungsgeschick, den afrikanischen Stammeskönig für sich
zu gewinnen. Doch statt eines neuen Handels zettelt er mit Hilfe eines
Heeres von Amazonen eine Revolution an.
COBRA VERDE beginnt wie ein italienischer Revolutionswestern
der sechziger Jahre: Cobra Verde da Silva hat bereits einen mythischen
Ruf als Bandit erlangt und die Straßen leeren sich, wenn er auftritt.
Seine unberechenbaren Wutausbrüche sind gefürchtet. Und so kann
ihn die domestizierte Atmosphäre der Plantage nicht lange halten.
Statt in Afrika getötet zu werden, findet er sich dort umvermittelt
in seinem Element - als Rebell im Widerstreit der Kräfte. Natürlich
ist er - wie immer bei Herzog - ein Scheiternder, der seine Mission schließlich
aufgibt und mit einer letzten übermenschlichen Anstrengung ein Boot
ins Meer ziehen möchte - ein Bild, der zu herzogs großartigsten
Inszenierungen gehört.
Was den Film überschattet, ist das bereits stark geschädigte
Verhältnis zwischen Regisseur und Hauptdarsteller, mit dem er danach
nie mehr zusammenarbeitete. Kinski kann sein aufschäumendes Temperament
oft nur mühsam unter Kontrolle halten, wir oft wie ein naives Kind
- dann wieder wie ein hysterischer Berserker. das verleiht der an sich
unsympathischen Figur einen gewissen Reiz, schließt um so mehr an
Kinskis Italowestern-Auftritte an. Doch vermutlich ist diese fünfte
Zusammenarbeit zurecht die letzte. Kinski selbst hat danach keine bedeutenden
Rollen mehr übernommen.
Da der Film an authentischen Schauplätzen und mit afrikanischen
DarstellerInnen gedreht wurde, vermag er stilistisch zu überzeugen,
wirkt auch weniger spröde als Herzogs frühere Versuche. Die
deutsche Synchronisation wartet dann auch mit einem einwandfreien Raumklang
auf, wobei die englische Originaltonspur etwas weniger künstlich
wirkt. Auch zu diesem Film hat Florian Fricke/Popol Vuh die Musik komponiert,
doch sie erklingt selten, lässt den lokalen Geräuschen viel
Raum. Ein Trailer lag leider nicht vor.
Interessant ist in jedem Fall der separate Audikommentar,
der jedoch besser über die Bilder gelegt worden wäre, denn er
ist sehr lang. Herzog ist sich der Schwächen des Films sehr bewußt,
erzählt jedoch sehr interessante Details über die Entstehung
und sein Treffen mit dem australischen Autor Bruce Chatwin, von dem die
Vorlage stammt. Die 45 Minuten Ausschnitte aus dem Drehtagebuch bestätigen
viele der Erzählungen und bieten einen gelungenen Einblick in Herzogs
Arbeitsweise.
So ist auch diese DVD unverzichtbar für Sammler
des Herzog- bzw. Kinski-Oeuvres. Wer einen geradlinigen Abenteuerfilm
erwartet, wird wohl eher irritiert sein über den unregelmäßigen
Erzählduktus des Films, der oft bei einzelnen Momenten verharrt (etwa
dem Lied der Sklavinnen), doch man kann annehmen, dass Kinskis Charisma
einiges Faszinosum birgt.
Marcus Stiglegger
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