CLOAKA

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OT: Cloaca
Produktionsland & -jahr: Niederlande 2003
Laufzeit: ca. 107 Minuten
Genre: Tragödie
FSK: 12
Regie: Willem van de Sande Bakhuyzen
Drehbuch: Maria Goos, nach ihrem gleichnamigen Theaterstück
Kamera: Guido van Gennep
Schnitt: Wouter Jansen
Produzenten: Hanneke Niens, Anton Smit
Darsteller: Peter Blok (Tom), Pierre Bokma (Pieter), Gijs Scholten van Aschat (Joep), Jaap Spijkers (Maarten), Elsie de Brauw (Conny), Caro Lenssen (Laura)
Sprache: Niederländisch DD 5.1 & DD 2.0
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 1,85:1/16:9
Specials: Originaltrailer, Biographie der Autorin und des Regisseurs, Artwork-Galerie, Epix-Trailershow


What happens to a dream deferred?
Does it dry up
Like a raisin in the sun?
Or fester like a sore—
And then run?
Does it stink like rotten meat
Or crust and sugar over—
Like a syrupy sweet?

Maybe it just sags
Like a heavy load.

Or does it explode?

LANGSTON HUGHES


Was passiert mit unausgelebten Träumen? Kann man sich die soziale Haut vom Leibe ziehen? Sind Freunde und Familie Rettungsanker oder Seetang in der Schiffsschraube? Willem van de Sande Bakhuyzens filmische Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Maria Goos lotet die Freiheiten und Unfreiheiten vierer Jugendfreunde aus, die inzwischen in ihren Vierzigern und einer lupenreinen Midlife-Crisis stecken.

Pieter hielt seinen drei Freunden einst leidenschaftliche Vorträge über die Werke seines Lieblingskünstlers. Früher enthusiastischer Kunstnarr, wälzt er heute seelenlose Aktenberge. Das geplante Buch über eben jenen Maler hat er nie geschrieben. Dessen damals wertlose Bilder sind ihm über die Jahre aus dem Kunstinventar der Stadt geschenkt worden, die nun nach dem Tod des Malers zu Millionenwert gelangt sind. Pieter wird eröffnet, er solle sie zurückgeben. Doch hat er sie teilweise verkauft, steht demnach vor dem finanziellen Ruin, falls er sich nicht freiklagen kann. Am selben Abend verlässt der Ministeranwärter Joep wutentbrannt nach einem Streit mit seiner Ehefrau Conny das gemeinsame Haus und die Kinder und sucht Unterschlupf bei Tom, einem ehemaligen Anwalt auf Kokainentzug. Er verfasst nun Bildunterschriften für Damenmode. Maarten steht kurz vor der Premiere seines neuen, wie gewohnt obszönen Theaterstücks, dessen minderjährige Hauptdarstellerin Laura zugleich seine heimliche Geliebte und Joeps Tochter ist.

Sie alle finden sich in Pieters moderner Wohnung zusammen. Sie haben sich lange nicht gesehen, wissen kaum noch etwas voneinander. Dass Tom nach einem Kokstrip nackt auf den Straßen Barcelonas zu sich gekommen ist, dass er sich die Pulsadern aufschnitt, und dass er monatelang in psychologischer Behandlung war, ging unbemerkt an allen vorüber. Seine psychischen Störungen, die immer wieder aufzubrechen drohen, finden ihr Symbol in den alarmroten Hemden, die Tom fortwährend trägt. Sie signalisieren den brodelnden Zwiespalt zwischen seinen Ängsten einerseits und der Hoffnung auf ein normales Leben abseits der Drogen andererseits. Er will Pieter in seinem Rechtsstreit vertreten und sich so wieder einen Namen machen. Dabei soll ihnen Joep helfen, der durch seine hohe politische Funktion Einfluss hat. Schließlich kann man sich auf Jugendfreunde verlassen. Oder nicht? Joep selbst hat alle Hilfe nötig. Er fühlt sich vom Leben hintergangen, von der Familie vernachlässigt. Seine Ehe liegt in Scherben, seine Ehefrau ist ihm fremd geworden.

Für eine kurze Zeit wirkt es so, als könnten sich die vier gegenseitig am Schopfe aus dem Sumpf der gesellschaftlichen Beziehungen ziehen. Aber bei all den Psychosen der drei anderen wirkt Tom letztlich am ruhigsten und abgeklärtesten. Spätestens im Nadelstreifenanzug wirkt die Form wieder gewahrt, scheint er wieder auf dem richtigen Weg zu sein. Doch wie brüchig diese normative Schicht aus gesellschaftlichen Codes über den widerstreitenden inneren Motiven ist, wird an Maartens Stück deutlich. In einer Art Gerichtsprozess spritzt man Laura mit einem Wasserschlauch blaue Farbe vom nackten Körper ab. Die drei Mittvierziger sind ergriffen, Joep weint entfesselt. Conny bietet ihm die Rückkehr nach Haus an. Aber will er überhaupt zurück zu seiner Familie? War es je sein Wunsch, eine zu gründen?

Cloaka zeigt vier Männer in der Mitte ihres Lebens, denen bewusst wird, dass ihnen nicht viel von ihren Jugendträumen geblieben ist. Sie stellen sich selbst infrage, was aus ihnen geworden ist, und die Werte, die sie leben. In traumhaften Szenen sehen die Männer sporadisch vier Jugendliche mit einem Klavier in einem Kahn durch einen Kanal fahren, der sie ihrer einstigen Ideale zu mahnen scheint. Je nachdem, ob Freunde und Familie Anker oder Seetang darstellen, treffen alle vier Männer für sich eine Entscheidung, die ihr Leben grundlegend verändert.

Ingo Stelte