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Brotherhood SteelBook Edition (2 DVD)
4,5 / 5 Sterne
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OT: Tae Guk Gi
Regie: Kang Je-Gyu (Shiri, Gingko Bed)
Darsteller: Jang Dong-Gun (2009 - Lost Memories, Wu ji - The Promise,
Friend), Won Bin (Guns & Talks), Lee Eun-Ju (Unborn but forgotten,
Scarlet Letter), Kong Hyeong-Jin (Gingko Bed 2), Jung Doo-Hong (Silmido,
No Blood, no Tears)
Laufzeit: ca. 143 Min.
Land: Süd Korea
Jahr: 2004
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Bildformat: Widescreen 2.35:1 (anamorph)
Tonformat: Dolby Digital 5.1 / DTS (deutsch), Dolby Digital 5.1 (koreanisch)
Sprachen: Deutsch, Koreanisch
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of, Interviews, Originaltrailer, Teaser, TV Spots, Bildergalerie
Das Kino von Kang Je-gyu ist keines der subtilen Konnotation.
Die Autorenpolitik des zweiundvierzigjährigen Südkoreaners definiert
sich in allen seiner bisher drei Regiearbeiten konsequent über die
radikale Plakativität ihrer fetischisierten Attraktionen in Bild,
Ton und Montage. Schon mit seinem immens erfolgreichen Debüt-Blockbuster
The Legend of Ginko 2 – The Ginko Bed (1996) schreibt und inszeniert
Kang Je-gyu einen mythischen Fantasy-Horrorfilm, so überbordend an
superlativem Spektakel, wie sonst nur aus dem Neuen Hongkong-Kino von
etwa Ronny Yus Das unbesiegbare Schwert (1993) bekannt. Drei Jahre später
landet er bereits mit seinem zweiten Film Shiri (1999) den bis dahin größten
Kassenerfolg der koreanischen Kinogeschichte, indem er populäre amerikanische
Vorbilder wie John Frankenheimers Schwarzer Sonntag (1977) oder Michael
Bays The Rock – Fels der Entscheidung (1995) ökonomisch wie
stilistisch ungemein geschickt synthetisiert und dabei versiert unter
funktionalisierter Evokation äußerster Emotionalität den
Nord-/Südkonflikt Koreas zum Thema macht. Taegukgi greift dieses
nationale Identität stiftende Erfolgsrezept perfektionierend auf
und erzählt dem Prinzip der Steigerung folgend konsekutiv vom Koreakrieg
selbst.
Das Genre des Kriegsfilms bietet sich für Kang Je-gyus
habituelles Verständnis des kinematographischen Mediums in besonderem
Maße an: Es ist Kino der Attraktionen per se. Der Kriegsfilm tendiert
bei der Repräsentation seiner Handlungen so stark wie vielleicht
kein zweites Genre zur eigendynamischen Aktion, ungebrochenen Rasanz und
letztlich essentiellen Kinese. Primär setzt er auf Dramatik und Schock,
wobei ein Höchstmaß an Schauwertpotential ohne signifikanten
Vergleichswert generiert wird.
Der Koreakrieg (1950-1953), den die US-Amerikaner bezeichnenderweise
„the forgotten war“ nennen, ist auf der westlichen Hälfte
der Erdkugel weitgehend in Vergessenheit geraten. Das, obwohl 1950 in
Korea der Kalte Krieg urplötzlich siedend heiß wird und zu
einer der blutigsten Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts führt.
Die Perspektive amerikanischer Soldaten, welche einst Hollywood-Maverick
Samuel Fuller in den Filmen Die Hölle von Korea (1951) und Der letzte
Angriff (1951) oder auch seine kaum weniger besessenen Kollegen Anthony
Mann und Joseph H. Lewis in Tag ohne Ende (1956) respektive Feuerschutz
für Stoßtrupp Berta (1952) so eindrucksvoll dargestellt haben,
spart Taegukgi gänzlich aus. Kein einziger GI tritt auf, Namen wie
MacArthur oder Truman sind nicht von Relevanz, es ist ganz und gar der
Krieg innerhalb des koreanischen Volkes, den Kang Je-gyu auf der Leinwand
entfalten sich lässt.
Mit der Grammatik des klassischen Familien-Melodrams, jener
larmoyanten Apostrophierung von Fatalismus wie spekulativen Manipulation
von Emotionen, personalisiert Taegukgi anhand eines langen retrospektiven
Flashbacks den Bruderkrieg in der Geschichte des südkoreanischen
Bruderpaars Jin-tae und Jin-seok. Bei Ausbruch des Krieges muss dieses
aus seinem idyllischen Heimatdorf fliehen und wird schließlich ungewollt
von der Armee eingezogen. Ohne Grundausbildung, kompetente Führung
und adäquate Ausrüstung schickt man die jungen Männer als
Kanonenfutter an die Front. Dank seines selbstlosen Wagemuts evolviert
der ältere, kräftigere Jin-tae rasch zum gefeierten Kriegshelden,
wandelt sich aber in Folge dessen vom gutmütigen Handwerker immer
mehr zur kaltblütigen Tötungsmaschine, deren misanthroper Zynismus
und bestialischer Blutdurst eine zunehmende Entfremdung von dem schwächlichen,
intellektuellen Jin-seok bewirkt. Der Konflikt zwischen den beiden einst
so vertrauten Brüdern spitzt sich im Laufe der verlustreichen Kampfhandlungen
immer weiter zu, bis sie sich am Ende auf dem Schlachtfeld als Todfeinde
gegenüber stehen.
Taegukgi ist ein Kriegsfilm, der paradigmatisch die Ambivalenzen
des Genres als dialektischen Kern in sich trägt. Er klagt öffentlich
den Schrecken des Krieges in martialischen Bildern an und generiert genau
dadurch für den Zuschauer ein enormes Faszinationspotential zwischen
Angst und Lust - einen prägnanten Thrill als „Mischung von
Furcht, Wonne und zuversichtlicher Hoffnung“ (Michael Balint). Bei
der Visualisierung der Kriegsgräuel geht Taegukgi im Angriff körperlicher
Materialität in Drastik und Akkumulation weiter, als je ein Genrebeitrag
zuvor. Aus den von Projektilen und Bajonetten perforierten Leibern spritzt
Blut in grellen Fontänen, Flammenwerfer lassen menschliches Fleisch
schmelzen wie Wachs, abgetrennte Extremitäten bedecken die Schützengräben
in mehreren Lagen, dampfende Gedärme quellen ohne Unterlass aus zerfetzten
Bäuchen, eitrige Fleischwunden ziehen ganze Schwärme von gelben
Maden an. Taegukgi gebärdet sich dabei nicht exploitativ und ist
sichtlich bemüht, mit unmittelbarem Gestus protokollierend gegen
den Krieg als archaischen Zustand des Grauens auszusagen. Taegukgi hwinalrimyeo
lässt sich im Deutschen in etwa mit dem Imperativ „Lasst die
südkoreanische Flagge wehen“ wiedergeben. Der Film agitiert
dem suggestiven Titel zum Trotz aber nicht analog der neuen Welle amerikanischer
Genrebeiträge um Der Soldat James Ryan (1998), Black Hawk Down (2001),
Pearl Harbor (2001), Wir waren Helden (2002) oder Tränen der Sonne
(2003) als mythisch strukturierter Kriegserziehungsfilm einseitig für
patriotischen Chauvinismus und faschistoiden Militarismus. Es ist vielmehr
ein humanistischer Ansatz, nicht unähnlich Stanley Kubricks Wege
zum Ruhm (1957), der Kang Je-gyu nach Auswirkungen des Krieges auf Körper,
Seele und Gesellschaft fragen lässt. Sowohl die nordkoreanische Armee
mit ihren grausamen Massakern an der Zivilbevölkerung, als auch die
südkoreanischen Truppen, welche sich in einer extremistischen Kommunistenhatz
ergehen, werden als barbarische Fanatiker dargestellt, denen der kollektive
Irrsinn des Krieges jede Menschlichkeit raubt. Die Zeit für Helden
ist vorbei in Taegukgi. Der Krieg konstituiert dort nicht Beziehungen
zwischen Menschen, sondern lediglich zwischen Ideologien, wobei „die
einzelnen nur zufällig Feinde sind“ (Jean-Jacques Rousseau).
Damit bricht Taegukgi in letzter Konsequenz mit einer der zentralen Prämissen
des Genres: Mord bleibt Mord, auch im Krieg, und kann ethisch nie als
gerechtfertigtes Töten legitimiert werden. Krieg erfährt man
nicht als fixe Naturkonstante, welche sich durch vermeintlich erhabene
Erscheinungen wie die „flammende turmhohe Feuerwand“ (Ernst
Jünger) des Schlachtfelds zur elementaren Metapher des Stahlgewitters
mythisieren lässt, sondern als willkürlich von Menschen verschuldetes
Leid.
Auf diese Weise umschifft Taegukgi die politisch mehr als
problematische Mythenbildung so vieler anderer Kriegsfilme, welche krampfhaft
versuchen, Geschichte „’natürlich’ zu machen“
(Roland Barthes). Der Aussagemodus Kang Je-gyus gestaltet sich dabei pragmatisch,
eine Intellektualisierung des Konflikts mit Analyse von kulturellen, ökonomischen
und politischen Ursachen wie etwa anklingend in Im Kwon-taeks Taebek sanmaek
(1994) bleibt zugunsten der Konzentration auf Actionsequenzen und das
emotionale Sentiment ausgespart. Taegukgi bedient sich als klassischer
Genrefilm der narrativen Strukturen des traditionellen Erzählkinos
und innerhalb derer tendieren Thesen wider den Krieg im Prozess ihrer
Bildwerdung immer dazu, obsolet zu werden. Kontraproduktiv zu potentiellen
Aussagen gegen Krieg lanciert die Repräsentation der Kampfhandlungen
auf der Leinwand im Spektakel der Bilder automatisch eine zum Selbstläufer
werdende Eigendynamik, welche auf reißerische Effekte und letzten
Endes identifikatorische Einfühlung spekuliert.
Die stroboskopische Digital-Kamera und der hochsensitive
Ton in Taegukgi sind bemüht, sinnlich eine authentische Erfahrung
des Körpers zu simulieren, wenn erstgenannte übergeordnete establishing
shots verweigert und stattdessen als anti-souveränes Subjekt direkt
eintaucht in das Kampfgeschehen, während letzterer den Einschlag
eines jeden Geschosses demonstrativ apostrophiert. Die Attacke auf den
Soldatenkörper wird durch die Drastik der Bilder, den Authentizitätsgestus
des Tons sowie die stakkatohaften Montage im Rhythmus der Gewehrsalven
umgelenkt auf die Sinne des Zuschauers, so dass die Grenze zwischen dem
„Bild der Hölle“ und der „Hölle der Bilder“
(Paul Virilio) verschwimmt. Durchaus obszön geht Taegukgi in einem
schließlich desensibilisierenden Hyperrealismus auf, dessen Apotheose
ein eigenständiges mediales Sperrfeuer zwischen somatischer Splatter-Ästhetik
und ontologischer Wahrhaftigkeit generiert.
Ivo Ritzer
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