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Brave Story (2006) - Deluxe Edition
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Vertrieb: Anime Virtual (Label: Anime Video)
Regie: Kôichi Chigira
Drehbuch: Miyuki Miyabe (Roman), Ichiro Okouchi
Produktion: Chihiro Kameyama, Koji Kajita, Hiroyoshi Koiwai, Daisuke Sekiguchi
Musik: Juno Reactor, Aqua Times
Originalsprecher: Takako Matsu, Eiji Wentz, Chiwa Saito, Yo Oizumi, Ayako
Kawasumi
Synchronsprecher: Hannes Maurer, Constantin von Jascheroff, Michael Deffert,
Tanya Kahana
Technische Angaben
Laufzeit: 127 Minuten
Bild: 1,85:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (Dolby Digital 2.0 & 5.1), Japanisch (Dolby
Digital 2.0 & 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Trailersammlung (10:05); Trailer für „Brave Story“-Videospiele
(4:33); Making Of: “Die 5 Edelsteine (41:59); Hinter den Kulissen
(24:21)
„1995 gründeten drei
Studenten in Lausanne Anime Virtual. Aus einer kleinen lokalen Handelsfirma
ist einer der größten Anbieter von deutschsprachigen Anime
in Europa geworden.“ So die Selbstpräsentation der Vertriebsfirma
Anime Virtual, die unter den drei Labels Anime Video (Animes), Eye See
Movies (Spielfilme) sowie Wasabi Records (Musik) mit großem Aufwand
versucht, hierzulande Pionierarbeit für japanische Unterhaltung zu
leisten. Löblich ist hierbei nicht nur die Tatsache, dass zu diesem
Zweck eigens Filme nachsynchronisiert und in ansehnlichen Special Editions
dem Handel zur Verfügung gestellt werden, sondern vor allem, dass
Anime Virtual versucht, den interessantesten Filmen auch den Weg auf deutsche
Kinoleinwände zu ebnen. Denn hier sind Animes noch immer zu unrecht
Mangelware.
Im Fokus des Labels Anime Video stehen prestigeträchtige
Produktionen, die auch für ein Familienpublikum funktionieren –
beispielsweise DAS MÄDCHEN, DAS DURCH DIE ZEIT SPRANG oder der jüngst
erschienene THE PIANO FOREST. Auf BRAVE STORY von 2006 trifft diese Beschreibung
ebenfalls zu. Die Großproduktion von Fuji-TV, Warner und dem durch
zahlreiche Serien recht bekannten Studio Gonzo (AFRO SAMURAI, TRINITY
BLOOD, GANTZ, HELLSING) zählte 2007 zu den größten Kino-Releases
in Japan und ist entsprechend aufwendig produziert. Vor allem der umfangreiche
Einsatz von CGI-Animationen und das aufwändige Sounddesign fallen
ins Auge bzw. Ohr.
Der Film basiert auf einer Romanvorlage der Erfolgsautorin
Miyuki Miyabe und vermittelt eine – stellenweise etwas abgenutzte
– Fantasygeschichte, die stark an J.R.R. Tolkien und Michael Ende
orientiert ist. Der 11-jährige Wataru Mitsuya lernt den geheimnisvollen
Mitschüler Mitsuru Ashikawa kennen. Mitsuru zeigt ihm ein mysteriöses
Tor in die Welt „Vision“, in der sich angeblich die sehnlichsten
Wünsche erfüllen lassen. Als sich Watarus Vater kurz darauf
von der Familie abwendet und seine Mutter wenig später bewusstlos
in die Klinik eingeliefert wird, sieht der Junge die einzige Chance auf
eine hoffnungsvolle Zukunft und die Änderung seines Schicksals im
Durchschreiten des Tors.
Was schnell erzählt ist, nimmt auch im Film nicht viel
Raum ein: Regisseur Kôichi Chigira handelt die Vorstellung seines
Protagonisten und die Schilderung des tragischen Familienzerfalls in 15
Minuten ab, die anfangs wesentlichen Begegnungen und Ereignisse werden
bloß angedeutet. BRAVE STORY lässt das Potenzial seiner ernsten
Thematik leider fast unangetastet, wirkt dadurch recht flach bzw. sehr
sprunghaft und kann so über die ganze Filmlänge wohl nur ein
jüngeres Publikum begeistern.
Interessant ist allerdings: Wer ein wenig Erfahrung mit
japanischen Videospielen, insbesondere Rollenspielen, mitbringt, wird
in der Märchenwelt von BRAVE STORY permanent mit netten Déjà-vù-Erlebnissen
konfrontiert. Wataru löst allerhand Rätsel, erledigt Botendienste,
findet magische Ausrüstungsgegenstände und Edelsteine, beim
Betreten von Vision werden ihm sogar spieltypische Attribute wie Weisheit
und Lebenskraft zugeordnet. Während Fantasy-Rollenspiele allerdings
üblicherweise Orientierungszeiträume von bis zu 100 Stunden
zur Verfügung stellen, verlangt BRAVE STORY, die Charakterentwicklung
des Protagonisten und seiner austauschbaren Begleiter in 2 Stunden nachzuvollziehen,
was stellenweise nicht sehr plausibel wirkt. Aus Fremden werden in kürzester
Zeit untrennbare Gefährten, denen dann bei wahllos anmutenden Abenteuern
zugesehen werden kann. Vor allem fehlt es, diese Abenteuer selbst zu erleben,
was hier leider weder durch Identifikation noch Interaktion möglich
ist.
Nach seiner Kinoauswertung erschien BRAVE STORY 2008 als
Single-DVD und als 2-DVD Deluxe-Edition in einem überaus sehenswerten
Pappschuber, garniert mit 28-seitigem Booklet. In dem unterhaltsamen Heftchen
spiegelt sich die enge Verbindung des Films zu Rollenspielkontexten nochmals
wieder, denn es beinhaltet nicht nur informative Interviews, sondern stellt
ungewöhnlicherweise auch Personen, Schauplätze, Monster und
Gegenstände aus der Filmhandlung vor, wie es sonst eher in Spielanleitungen
der Fall ist. Neben diesem Gimmick, stimmen allerdings auch die inneren
Werte: Der hervorragende 5.1-Mix sowie die deutsche Synchronisation auf
hohem Niveau lassen auf akustischer Seite keine Wünsche offen. Kräftige
Farben und das kontrastreiche Bild der DVD bringen die bunte Welt von
Vision hervorragend zu Geltung. Die zweite DVD lässt schließlich
einen Blick hinter die Kulissen zu und vermittelt in zwei langen Features
zahlreiche Einblicke in den Herstellungskontext des Films. Bei beiden
Berichten stört ein wenig der aufdringliche Werbe- bzw. Unterhaltungsgestus,
in anbetracht der Ausrichtung des Labels ist die Wahl der Extras allerdings
völlig plausibel. Eine Bemerkung am Rande: Interessanterweise beinhaltet
die Film-DVD neben den im Menü auswählbaren bzw. den auf der
Hülle angegebenen Optionen zusätzlich eine französische
Sprachfassung sowie französische und niederländische Untertitel.
Anime Virtual präsentiert hochwertige, familienkompatible
Unterhaltung aus Japan. Ohne Patzer. Mit lobenswertem Engagement. Und
zum Teil sogar im Kino. Damit erweist das junge Unternehmen jedem Fan
einen großen Gefallen, hilft vielen hervorragenden Produktionen,
das internationale Publikum zu erreichen, das ihnen zusteht und zeigt
interessante Alternativen zum Ghibli-Monopol auf. Weitere Veröffentlichungen
können also nur begrüßt werden.
Dennis Vetter
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