BLACK NIGHT

 

SPIRITUAL EXERCISE

 

Oscar (Fabrice Rodriguez) ist Konservator im naturwissenschaftlichen Museum. Seine Tage verbringt er mit dem Studium der Insekten – wenn diese tage auch ohne Sonne auskommen müssen, denn die Sonne hat sich seit Jahren verdunkelt, nur für 15 Sekunden am Tag bricht das Licht durch. Oscars Welt ist eine finstere Welt, eine Nacht ohne Ende im Zeichen der Schwarzen Sonne.
Eines Tages findet Oscar eine afrikanische Frau nackt in seinem Bett liegen. Sie scheint unter einer unheilbaren mysteriösen Krankheit zu leiden und wartet in seinem Appartement auf den Tod. Ohnehin von bizarren Träumen verfolgt, ist der Präparator zwischen Ekel und Begehren zerrissen. Seltsame Phantome manifestieren sich in der Finsternis und Erinnerungen an seine Glückliche Kindheit in belgischen Kongo kehren zurück, als er mit seiner jüngeren Schwester Großwildjäger spielte. Für diese verstorbene Schwester hat er einen Altar errichtet. Als die junge Frau stirbt, balsamiert er sie ein und verspinnt sie in einen larvenähnlichen Kokon. Wie eine Schmetterlingslarve bricht sie nach einiger zeit auf und der Hülle entsteigt eine fragile junge Frau, die seine Schwester sein könnte. Doch was wie ein Märchen begann entwickelt sich zum Alptraum...
Der belgische Filmemacher Olivier Schmolders, dessen hier beschriebener Film BLACK NIGHT soeben bei Cult Epics auf DVD erschienen ist, gehört zu den konsequentesten Vertretern seiner seltenen Species: beharrlich und ohne Rücksicht auf Konventionen dreht er seit über zwanzig Jahren Filme über seine düsteren Obsessionen. Sexuelle Begierden, Tod, Kannibalismus, Mystik und Träume tauchen immer wieder auf und bestimmen eine Atmosphäre des magischen Realismus, der immer wieder in Wunderbare und Unheimliche umkippen kann. Warmes Licht mit ausgedehnten Schattenzonen dominiert BLACK NIGHT, fast Rembrandt-Licht, möchte man meinen. Dabei schließen seine Visionen an das Kino Luis Bunuels und Ingmar Bergmans an. Oder an David Lynch und Agustí Villaronga, um aktuellere Vertreter zu nennen. Seine Nationalität verbindet Smolders mit Harry Kümel (siehe Artikel in diesem Heft).
Cult Epics hat Smolders einziartige Kunst nun für ein großes Publikum erschlossen und präsentiert das Gesamtwerk auf zwei DVDs: BLACK NIGHT ist mit Deleted Scenes, Making Of, einem informativen Interview und einer Kurzfilmmontage ausgestattet; auf SPIRITUAL EXERCISES finden sich smolders frühere Kurzfilme von 1984 bis 1997. Darunter kann man auch ADORATION sehen, das eindrucksvolle Drama eines japanischen Studenten, der seine französische Freundin tötet und verspeist. Doch Smolders Filme sind keine Splatter-Etüden, sondern radikale künstlerische Kleinode, die genussvoll Tabus berühren, ohn ihre Sujets auszubeuten. Kino im Sinne Batailles, Rimbauds und ... de Sades. Ein wahrhaft aufregende Entdeckung.
BLACK NIGHT und SPIRITUAL EXERCISES (Cult Epics) sind über www.sazuma.com als Import-DVDs erhältlich.
Marcus Stiglegger