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Blackmetal-Special von Martin Kreischer
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Graupel
„Auf alten Wegen“
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(Cold Dimension) CD, 10 Tracks
Black Metal in seiner ursprünglichen Idee ist ein
Manifest der Verweigerung. Für Graupel eine zwingende Tradition:
Verweigert werden verwertbare kommerzielle Interessen, verweigert werden
ästhetische Normen, verweigert wird ein schneller Zugang und schließlich
auch eine aufwendige Produktion. Anti-modern verweigert der chaotische,
stürmische Sound von Graupel auch mehr als 14 Jahre nach der norwegischen
Initialzündung der zweiten Black Metal-Welle die Weiterentwicklung,
das Erneuern des Sounds. Eingebrannt in die „alten Wege“ sind
somit bereits die Strukturen, das Feeling und die Atmosphäre. Die
Regression funktioniert somit über zwei Ebenen: Auf der einen ist
der Sound wie jener der Ur-Bands des Genre der Wunsch nach einem unbestimmten
archaischen „Früher“, zurück in den Benn’schen
Urschleim, wo man noch Werte und wahres, befreites Leben vermutet –
und auf der zweiten Ebene greift im Jahre 2005 immer noch der selbe Klang
wie 1991, werden kurzerhand 14 Jahre Musikgeschichte revidiert, eine direkte
Linie gezogen. Das ist Nostalgie, wie es sich die Band selbst auf die
Fahnen geschrieben hat, eine einstig rebellische Musikrichtung verliert
sich im Konservativismus. Dennoch bewahren Graupel einen ursprünglichen
Geist, die Kompositionen wirken roh und kraftvoll, der Brückenschlag
in die Vergangenheit ist grandios geworden. Black Metal wird zum Eskapismus
für Liebhaber: Auch das eine Art der Verweigerung.
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Lunar Aurora
„Mond“
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(Cold Dimension) CD, 7 Tracks
Die Black Metal-Szene des Jahres 2005 bewegt sich zwischen
kommerzialisiertem Düster-Kitsch und Annäherungen an die Rechts-Rock-Szene.
Zwischen den pompösen Gothic-Operetten der Briten Cradle of Filth
und faschistischem, dumpfen Gepolter findet sich eine Szene wieder, die
um ihre Identität ringt. So ist inzwischen jede deutsche Band generalverdächtig
und selbst die Hörer wissen nicht, ob sie die braunen Nutznießer
verbannen oder gutheißen sollen. In all dieser Undurchsichtigkeit
gibt es aber immer noch Formationen wie Lunar Aurora, die in ihrem old-schooligen
Sound so etwas wie die Speerspitze der deutschen Black Metal-Formationen
ohne Ausverkaufsvorwürfe und dumpfen Parolen darstellt. Mit ihrem
stark von den früheren Emperor geprägten Sound bauen sie ihre
Strukturen über verschiedene Schichten hinweg auf, wagen ein Klanggeflecht,
welches mit vielen Details und Wendungen aufwartet. In dem Dickicht aus
grummelnden Bässen, grimmigen Gitarren, kratzigem Gesang, rasenden
Blastbeats und epischen Keyboards braucht es Zeit, sich zurecht zu finden,
doch auch das mittlerweile siebte Album lohnt die Entdeckungsreise, besonders
da der Black Metal heute kaum noch intensive Alben dieses Ausmaßes
bietet.
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Dornenreich
„Hexenwind“
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(Prophecy) CD, 5 Tracks
Wenn die Ideen sitzen wird es brillant. Da rumpelt der
Bass, klingt wie das dumpfe Beben eines Waldbodens, verkünden geflüsterte
Stimmen Hermann-Hesse-Kalendersprüche, haucht ein Raunen des Windes,
kratzen Gitarren über einen toten Baumstumpf - soviel pathetische
Naturmystik muss sein. Wo die Ideen erschlaffen beginnt die Qual, fangen
Dornenreich an ihre eigene Vision auszuschlachten und auszuwalzen, wird
es langatmig, die Stücke verlieren an Kraft – auch wenn dies
an die langen Passagen eines Burzum-Werkes erinnern soll, oder aufzeigen
mag, das Black-Metal-Feeling auch mit anderen Mittel umgesetzt werden
kann, es für einen verschrobenen Archaismus eben nicht zwingend rasende
Riffs braucht. Aber irgendwie verschluckt sich Hexenwind immer wieder
an seiner eigenen Genialität, zu schnell greift der Minimalismus
und zu schnell greift er sich ab. Dennoch: Die Melodieführung inklusive
Alternative-Schrammel-Gitarren und Gothic-Camp in den Refrains ist eindrucksvoll,
das Amalgam aus 70ies Rock und NeoFolk einzigartig. Wohltuend haben sich
Dornenreich aus dem engen Korsett ihrer früher überdimensionierten
Aufbauten befreit, sind nun uriger, einheitlicher, selbstbewusster. Hexenwind
ist ein Album, das einen etwas beherzteren Cut bedurft hätte aber
auch so zu seinem eigenen Mythos findet.
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