Black Moon

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Originaltitel: Black Moon
Label: Arthaus
Genre: Drama, Sci-Fi/Fantasy
Produktionsjahr: 1974
Produktionsland: Deutschland/Frankreich
FSK 16
Lauflänge: ca. 97 Minuten
Regie: Louis Malle
Drehbuch: Louis Malle
Kamera: Sven Nykvist
Produktion: Claude Nejar
Technische Angaben
Untertitel: Deutsch
Extras: Interviews mit Volker Schlöndorff und Vincent Malle, Fotogalerie, Trailer

Der französische Filmemacher Louis Malle hat - anders als seine Kollegen von der Nouvelle Vague - nie auf eine geradlinige Entwicklung seines Oeuvres Wert gelegt. So betätigte er sich in den unterschiedlichsten Genres, erzählte mal in surrealen Bildern, mal mit monochromer Ernsthaftigkeit. Neben politisch engagierte Filme treten bei ihm immer wieder auch verspielte, fast esoterische Werke. Nach der umfassenden Diskussion seiner Auseinandersetzung mit der französischen Nazizeit in LACOMBE LUCIEN überraschte es viele Fans und Kritiker, als BLACK MOON (1974) schließlich in die Kinos kam.

Malle entwickelte nach seiner Rückkehr aus Indien, wo er eine Reihe von Dokumentationen gedreht hatte, ein improvisiertes Drehbuch, das lose auf Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" basierte, jedoch die sexuellen Coming-of-Age-Elemente deutlicher ins Zentrum der Inszenierung rückt. Die Hauptrolle spielt die junge Cathryn Harrison, die aus Robert Altman vergelichbar abstraktem Thriller IMAGES bekannt war.

Auf den Straßen von BLACK MOON herrscht ein blutiger Krieg zwischen Männern und Frauen. Die blutjunge Lily (Cathryn Harrison) kann gerade noch einer Exekution entkommen und flieht in ein abgelegenes Landhaus inmitten unberührter Natur. Auf dem märchenhaften Anwesen macht Lily überraschende Entdeckungen: nackte Kinder tollen mit einem großen Schwein, ein Einhorn trottet gemächlich vorbei, ein stummes Geschwisterpaar (Joe Dallesandro, Alexandra Stewart) lebt in innigem Inzest und eine alte Frau (Therese Giehse) in einem riesigen Bett spricht mit einer Ratte und setzt mysteriöse Funksprüche ab. Nach und nach gewöhnt sich Lily an die skurrilen Bewohner und durchlebt einen erstaunlichen Reifeprozess, in dessen Verlauf sie ihren eigenen Körper neu entdeckt.

Der Film beginnt mit einem Schockbild (Lily überfährt einen Dachs), und es wird nicht das letzte sein. Die Bilder, die Ingmar Bergmans Kameramann Sven Nykvist hier einfängt, sind von monchromer Melancholie durchzogen, wenn sie nicht gerade Ausschreitungen des Krieges streifen - oder die bizarre Welt um das Landhaus erkunden. Tondesgin und Montage sind minimalistisch, aber auf beklemmende Weise effektiv: Was der rätselhafte Film BLACK MOON hier entfaltet ist nicht weniger als ein verschlüsseltes Coming-of-Age-Drama. Lily muss lernen, sich als erwachsene Frau zu akzeptieren und wird dazu von der alten Frau geradezu brutal in die Mutterrolle gedrängt. Der Titel bezieht sich auf die Neumondnacht, in der die weiblichen Angehörigen von arachischen Völkern der Legende nach tatsächlich menstruierten. Manche Ethnien glaubten gar an eine "Menstruation des Mondes" - "in menstrual night - when red is black" (Current 93).

Wer sich für neo-surrealistisches und okkultes Kino interessiert, wird um BLACK MOON ebensowenig herum kommen wie Fans des avantgardistischen europäischen Films. Die qualitativ hervorragende und gut deutsch synchronisierte DVD ist zusätzlich mit zwei Interviews ausgestattet: Vincent Malle erinnert sich das Film-Konzept des Bruders, und der damalige Koproduzent Volker Schlöndorff beschreibt diesen Film als "gescheitert", wenn auch zutiefst persönlich. Der gelungene Trailer des Films ist optisch leider falsch codiert und muss extra entzerrt werden. Insgesamt macht die DVD einen sehr guten Eindruck - eine lange erwartet und lobenswerte Veröffentlichung.

Marcus Stiglegger