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Martin Büsser
Lustmord – Mordlust
Das Sexualverbrechen als ästhetisches Sujet
im 20. Jahrhundert
Ventil-Verlag, Mainz 2000, 192 Seiten, einige
Abb., 29,90 DM
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Als Mary Harron im letzten Jahr mit ihrer feministischen
Filmversion von Bret Easton Ellis‘ Roman „American Psycho“
ins Kino kam, war schnell deutlich, dass dieser bereits im Vorfeld umstrittene
Film etwas leisten würde, was zahlreiche gängige sog. Literaturverfilmungen
dem Zuschauer eher verderben: Harrons Film erzeugte das Interesse an einer
erneuten Auseinandersetzung mit dem zugrundeliegenden Stoff, in dem der
Autor eine bittere Abrechnung mit dem Yuppie-Geist der 'coolen‘
achtziger Jahre verfaßt hatte.
So kommt auch Martin Büssers kulturanalytische Arbeit
zur richtigen Zeit. Mit viel Sachverstand und Hintergrundwissen arbeitet
er den True-Crime-Kult in der Kunst des letzten Jahrhunderts auf, beginnend
bei den klassischen Avantgardisten, mit einem eleganten (wenn auch knappen)
Seitenblick auf die Theoretiker dieses Sujets (Artaud, Marcuse, Bataille
u.a.), um schließlich in einer eingehenden Betrachtung der beiden
Romane „American Psycho“ und „Sprung“ von Dennis
Cooper zu gipfeln. Immer wieder amüsant dabei ist Büssers treffendes
Porträt der gescheiterten 68er-Revolte, die schnell in einen affirmativen,
kapitalistischen Mainstream mündete. Hier ist die Argumentation jener
Poptheorie sehr nah, die der Autor selbst als Redakteur des Popkulturmagazins
Testcard kultiviert.
Aufschlußreich wie verblüffend ist somit auch
die Ableitung des Serial-Killer-Charakters aus dem Geist des glatten,
widerspruchslosen Mainstreampops (Whitney Houston, Phil Collins), der
in „American Psycho“ immer wieder thematisiert wird. Und schließlich
weckt der Autor seinerseits die Lust an der (Neu-)Entdeckung fast vergessener
Werke kontroverser Literatur, wie etwa Jean Genets „Das Totenfest“,
den er im Kontext einer 'todessüchtigen Homosexualität‘
verortet, der auch Dennis Coopers Romane entspringen.
Ähnliches gilt für die in einem Schlußkapitel
thematisierten Filme – von THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE bis FINGERED
von Richard Kern. Der Autor beschreibt elegant die Vielschichtigkeit des
CHAINSAW MASSACRE wie auch das Erbärmliche an Quentin Tarantino,
„der sich als Erwachsener den Blick jenes vorpubertären Jungen
bewahrt hat, der sich also in seiner Angst vor der zärtlichen Berührung
in die Welt der Gangster und des Geballers rettet wie ein unglücklich
Verliebter in den Schützengraben, um lieber umzukommen als weiterhin
unter einem Mangel an Liebe zu leiden.“ (S. 157) „Lustmord
– Mordlust“ ist ein rund um geschlossenes, ebenso lesbares
wie unterhaltsames Stück Kulturwissenschaft, wie es sich in der deutschen
Fachliteratur selten findet. Das gilt auch für das stilsichere Umschlaglayout,
das ein Foto Hans Bellmers in verfremdeter Version nutzt, um beängstigende
Assoziationen zu wecken.
PS: Nur um diesen kleinen, wenn auch fatalen Fehler (S.
111) zu berichtigen: SNUFF ist natürlich nicht von Paul Schrader,
sondern von den Findlays, wenn auch in Schraders HARDCORE - EIN VATER
SIEHT ROT eine Snuff-Film-Vorführung zu sehen ist.
Marcus Stiglegger
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