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Pietro Aretino / Thomas Hettche
Stellungen
Oder vom Anfang und Ende der Pornografie
DuMont Verlag, ISBN 3-8321-7836-8, 90 Seiten, 39,90
€
Dem sehenden Auge geht es um Identifikation,
dem lesenden Auge um Imagination.
Thomas Hettche
Umschlagillustration
Am Anfang war das Wort. Oder etwa doch das Bild? „I
modi - Stellungen“ ist der Titel eines schmalen Bändchens erotischer
Sonette, das der berüchtigte italienische Dichter Petro Aretino 1525
in Rom herausgebracht hatte, das sogleich verboten wurde, lange als verschollen
galt, und nun in einer liebevollen Edition mitsamt der inspirierenden
Kupferstiche, dem italienischen Originaltext, und einer dreifarbig gedruckten
Übersetzung (um das dialogische Prinzip der Dichtung zu verdeutlichen)
präsentiert wird. DuMont knüpft mit dieser gebundenen Luxusausgabe
an die Tradition des Kaffeetisch-Buches an, das immer wieder gerne zur
Hand genommen wird und zugleich einen hervorragenden ästhetischen
Genuss bereitet.
Die Übersetzung geht dabei mit teilweise umgangssprachlicher
Deftigkeit vor, was wohl den zeitgenössischen Formulierungen Aretinos
entspricht: „Meine Beine um deinen Hals gelegt, / Treibst du deinen
Schwanz in meinen Steiß. / Auf dieser Truhe gestoßen, zerschunden,
ledie ich leis. / Wie sehr mich das erregt! // Trag mich aufs Bett. Machst
mich unentwegt / Zuschanden mit deinem Fleiß, / Eine Geburt ist
dagegen ein Scheiß. / was macht deine grausame Liebe aus mir?“
Bereits aus der hier anklingenden Drastik der Schilderung, die durchaus
repräsentativ für die Sonette ist, deutet sich eine Gleichung
zu deftigen Pornografie an, nicht etwa zu den subtilen Verklausuliereungen
Shakespearscher Liebes-Sonette.
Herausgeber Thomas Hettche ergänzt diesen Band um einen
interessanten Essay, der die Sonette in einen Kontext stellt mit der aktuellen
Welle literarischer und filmischer „Pornografie“ (Michel Houellebecq,
Catherine Millet, auch Catherine Breillat wäre zu nennen) und eine
Entwicklung aufreißt, die von einem „Ende der Pornografie“
ausgeht. Mit Georg Seeßlen spricht er vom „postpornografischen
Blick“, wie er etwa in Patrice Chéreaus Film INTIMACY auffällt.
Was bei den klassischen Texten noch dem Lustgewinn dient, wird nun aus
sezierender Distanz betrachtet, mitunter gar auf eine quantitative Dimension
reduziert (Millet), die den Werken de Sades ähnelt - aber nicht gleicht.
Es fehlt heute der unbedingte Wille, das Fleisch tatsächlich zu erobern...
Wer sich mit erotischer Kunst und Kultur beschäftigen
möchte, findet hier faszinierende und anregende Ansätze, aber
auch aus rein sinnlichem Vergnügen lässt sich dieses Buch rezipieren.
Die Ausgabe ist in jedem Fall hervorragend gestaltet.
Marcus Stiglegger
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