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„We came
to wreck everything“
Der australische Filmemacher Geoff Wright über
seinen umstrittenen Film Romper Stomper
„Fuck Off!“ So brannte sich ein erster prägnanter Satz
aus Geoffrey Wrights Neonazi-Drama Romper Stomper in die Gehörgänge
ein. Dieser Film war es auch, der dem australischen Filmemacher weltweit
kontroverse Aufmerksamkeit sicherte, die bis heute nicht verloren ging,
ist doch Romper Stomper zugleich der erste Film, mit dem Darsteller Russell
Crowe auf sein Charisma und Talent aufmerksam machte. Aus einer Distanz
von nahezu zehn Jahren läßt sich noch einmal neu über
das berüchtigte aber gleichwohl brilliante Skinheaddrama nachdenken,
das sich vielerorts (nicht unbedingt beim Szenepublikum) als Kultfilm
etabliert hat.
Am Footscray Stadion im australischen Melbourne werden zwei vietnamesische
Mädchen und ein Junge brutal von einer Gruppe Skinheads zusammengeschlagen.
Die Enge des weißgekachelten Tunnels, das bläuliche Neonlicht,
das sich auf dem nassen Betonboden bricht, die stilisierte “working-class-warrior’-Kleidung
der Skins erinnerten noch manchen Rezensenten oberflächlich an Stanley
Kubricks Uhrwerk Orange (1971), doch wo diese ästhetisierte Gewaltorgie
stets die ironische Distanz zum Geschehen einnimmt (Totalen zur klassischer
Musik), geht Wright den entgegengesetzten Weg: Er zeigt den Schmerz der
Opfer in Nahaufnahmen angsterfüllter Augen und verlangsamt ausgespielten
Mißhandlungen. Er scheut auch vor der Untersicht nicht zurück
und läßt so auf den Zuschauer einen Hegel von brutalen Schlägen
und Tritten niederprasseln. Der Soundtrack ist durchsetzt von bemerkenswerten
Kakophonien, verfremdeten Stimmen und rhythmisierten Streicherakkorden,
die dem Geschehen einen ebenso militaristischen wie fatalen Anstrich verleihen.
Der stark tätowierte, charismatische Hando (Russell Crowe) führt
die Skinhead-Gruppe zusammen mit seiner “rechten Hand’ Davey
(Daniel Pollock) an, die in einem chaotischen Lagerhaus lebt. Um ihre
Tat zu feiern, begeben sich die Skins in ihre Stammkneipe. Hando lernt
dort das ausgerissene Mädchen Gabe (Jacqueline MacKenzie) kennen,
die er mit in die Behausung nimmt. Zwischen diesem Dreiergespannt entwickelt
der Film ein drastisches Melodrama, das im Kontext des selbsterklärten
„Rassenkrieges“ zur Katastrophe wird...
Gabe übernachtet in Handos mit Nazi-Memorabilia ausgestattetem Zimmer.
Morgens liest er ihr Passagen aus „Mein Kampf“ vor und erklärt
die Motivation der Gewalt gegen die vietnamesischen Einwanderer: „I
don’t want to be a white coolie in my own country, because it’s
not my own country anymore.“ Natürlich hat es ihm niemals „gehört“,
zu sehr leben er und seine Gang im sozialen Abseits, hausen sie Obdachlosen
gleich in verlassenen Fabrikgebäuden... Mit dem Besuch einer benachbarten
Skinclique steigt nachts im Lagerhaus eine ausschweifende Party, in der
auf grob ritualisierte Weise Alkohol, Musik und Sex konsumiert wird. Wieder
taucht der Film ganz in die fremdartige Szenerie ein, mischt sich mit
Hilfe der unruhigen Handkamera und geringer Brennweiten unter die tobenden
und tanzenden Skins. Den Höhepunkt der Orgienszene bildet eine rhythmisch
parallel geschnittene Montage, in der Handos Beischlaf mit Gabe zu Daveys
Boxübungen am Sandsack in Bezug gesetzt wird. Wright nähert
sich hier fast dem agitativen Montagestil Oliver Stones: Mit dem Orgasmus
platzt Daveys Sandsack und ergießt sich auf den Hallenboden; Gabes
Hände krallen sich in die Reichskriegsflagge über Handos Bett...
Der unmotivierte Gewalttäter ist der Inbegriff und das Symbol des
Zustandes westlicher Industriegesellschaften. In den USA, die auch ihre
Serienkiller von je her als Helden feiern, ist das nur unwesentlich deutlicher
als hier. Im unmotivierten Gewaltakt findet eine Negation jeglicher konstruktiver,
humanistischer Werte statt. Konsum, reiner Konsum, hat sich verselbständigt
und als verschlingende Flut gegen die eigene Gesellschaft gerichtet. Die
materialistische Gesellschaft lebt im „totalen Krieg“ mit
sich selbst und ihren Kindern, jeden Tag, überall. Das Welt- und
Menschenbild von Geoffrey Wrights Stationendrama ist eine Aufsplitterung
dieser destruktiven kapitalistischen Gesellschaft pars-pro-toto in symbolische
Stellvertretergruppen. Sie führen ihre eigenen Kriege, rettungslos
gefangen in einer Spirale von Gewalt, Gegengewalt, Verbrechen und Rache.
Gerechtigkeit ist verlorengegangen, da es nur das jeweilige Gesetz der
„Tribes“ gibt. Nichts ist vereinbar. Humanismus hört
bereits mit dem vagen Gedanken auf, es könne eventuell “geborene
Herren und Sklaven’ geben... Doch Handos behauptete Weltsicht, der
Wunsch, das „eigene Land“ zurückzuerobern, entbehrt jeglicher
ideologischer Substanz. In fast trotzigem Pathos lehnt er italienisches
Essen und japanische Autos gleichermaßen ab. Deshalb gibt es in
der Welt von Romper Stomper auch keine Freundschaft, keine Liebe, nur
Misstrauen, Gewalt, Konsum und Sexualität im Leerlauf. Die Skinheadgruppe,
deren einzige Verbindung die selbstgewählte Stigmatisierung zum Symbol
der Gewalt ist, zerfällt augenblicklich im Moment der geringsten
Krise.
Mit Hando, Gabe und Davey etabliert Romper Stomper ein bizarres Dreiecksverhältnis,
das jedoch angesichts der emotionalen Verwirrungen und Wunden der Protagonisten
kaum bestehen kann. Das destruktive Finale ist bereits früh absehbar:
In einer nächtlichen Einkaufspassage balgen sich Hando und Davey
spielerisch, mit einem Mal jedoch scheint ihr Balzkampf in ernsthafte
Rivalität umzuschlagen. Wright parallelisiert hier - wie auch später
- die per Zeitlupe verlangsamten Stimmen seiner Darsteller mit aggressivem
Raubtierknurren. - Gabes Verhalten wird zunächst etabliert als naiv
und kindlich-unschuldig. Sie scheint die latente Brutalität der Gang
und speziell Handos kaum wahrzunehmen. Was wie ein wunderlicher psychologischer
Schutz wirkt - ebenfalls motiviert durch den bereits in der zweiten Szene
angedeuteten sexuellen Missbrauch durch den Vater, wird später noch
durch periodisch wiederkehrende epileptische Anfälle unterstrichen.
Als sie mit den anderen Frauen der Gang, zweier Skinheadfrauen und einer
Gothic-Waverin, in dem Hinterhof der Kneipe ankommt, wo sich die Gang
bereits über zwei Vietnamesen hergemacht hat, lässt sie sich
schließlich dazu anstacheln, selbst zuzutreten. In euphorischer
Verzückung zelebriert sie spontan den Verlust ihrer Unschuld. In
der Tat ist sie noch weiter im Abseits als die Skins, die zumindest ein
Surrogat für fehlende Gemeinschaft gefunden haben. Sie wandelt zwischen
allen Fronten und wird so - ein Anruf genügt - für alle gefährlich;
auch am Tod von Bubs, des jüngsten Skins, der von der Polizei erschossen
wird, ist sie durch ihre Denunziation indirekt Schuld. Hando scheint diese
„Bedrohung“ instinktiv zu ahnen, immerhin signaliserte Gabes
Auftauchen die Atomisierung der Gruppe, doch seine behauptete „Kameradschaft“
zu Davey ist zu schwach. Da ist keine „Männerfreundschaft“,
die gegen heterosexuelle Begierde bestehen kann.
Geoff, wie kam es zu Romper Stomper?
Ende der achtziger Jahre waren Zeitungen voll von Meldungen über
Gewaltakte von Neonazis. Das erschien mir ein ergibiges Sujet. Skinheads
interessierten mich schon immer, wir hatten damals viele an der Schule,
aber in den Siebzigern waren die Skins nicht politisch, nur trunksüchtige
Vandalen ohne rassistische Ideen, die jeden gleichermaßen zu hassen
schienen. Sie sahen allerdings genau so aus wie heute, wir nannten sie
damals „Sharpies“. Einige von ihnen hörten eine Art Raggae-Musik
- das nur zum rassistischen Element. Spät erkannte ich die Umpolung
ins Politische, das faszinierte mich. Das ereignet sich analog zu weltweiten
wirtschaftlichen Entwicklungen - Jugendarbeitslosigkeit und steigende
Immigration. In England, Deutschland, Australien, Frankreich usw. suchten
viele nach Sündenböcken. So wurden Pakistanis in London angegriffen,
Türken in Deutschland, Vientnamesen in Australien, Nordafrikaner
in Paris... In den dreißiger Jahren waren es die Juden, die für
die wirtschaftliche Misere verantwortlich gemacht wurden. In Zeiten sozialen
Unsicherheit werden die Minderheiten isoliert und attackiert, in den schlimmsten
Fällen interniert und zu Massen getötet. Ich schrieb ein Drehbuch
über Neonazis in Australien, und nachdem ich 40 Stunden Interviews
ausgewertet hatte, verwarf ich es und schrieb ein neues. Ich kombiniert
und verdichtete tatsächliche Ereignisse zu einer dramatischen Handung.
Um die Filmförderung zu erhalten, bewies ich mein Talent zunächst
mit meinem Debütfilm Loverboy. Auch Metal Skin war bereits vor Romper
Stomper geschrieben worden. Die Förderung war äußerst
nervös wegen des Projekts, obwohl sie dessen Qualitäten zugeben
mußten. Nicht zuletzt durch das Engagement der Förderbüro-Mitarbeiterin
Lynn Gailey konnten wir schließlich beginnen. Ich denke, nur wenige
Leute waren damals auf unserer Seite...
Hattet Ihr während der Dreharbeiten
jemals Probleme mit der künstlerischen Distanz zum Thema?
Man muß sehen, daß unser Produzent Daniel Scharf sowie einige
weitere in der Crew Juden sind. Daniel hatte niemals moralische Bedenken
wegen unseres Films. Tatsächlich habe ich niemals Kritik von jüdischer
oder vietnamesischer Seite an Romper Stomper gehört. Die vietnamesischen
Zuschauer hatten einen sehr praktischen Zugang zu diesem Film: Sie verstanden,
daß es nicht nur akzeptabel, sondern gar essentiell für den
Film ist, Hando zu einem charismatischen Charakter zu machen - ein Shakespearisches
Prinzip, wie in „Macbeth“, „Richard III“ usw.
Niemand würde Adolf Hitler ein gewisses Charisma absprechen angesichts
seiner Massenwirksamkeit. Und auch Hitler hatte ein Privatleben, einen
Hund, eine Geliebte. Der Punkt ist, daß selbst Hitler kein Wesen
aus einer anderen Welt oder einer übernatürlichen Kraft war,
sondern ein Mann mit speziellen Talenten und massiven destruktiven Tendenzen.
- Nun ja, zum Thema: Moralische Vorbehalten zählen natürlich
für die meisten Method-Actors nicht mehr, wenn sie sich ihrer Sache
widmen, so kam es, daß Russell Crowe sich tatsächlich zu einem
kleinen Gangführer entwickelte, seine Schauspielerkollegen beeinflusste
und abends im Skinheadoutfit durch die Straßen zog. In einem Vorort
von Melbourne verbreiteten sie so in einem Club für Mittelstandskids
Furcht und Schrecken. Crowe betrat wie in einem Leone-Western den Raum,
provozierte die Leute, warf Möbel durch die Gegend und zerbrach einen
Billard-Queue. Ich wurde um vier Uhr nachts telefonisch informiert, daß
die halbe Besetzung im Gefängnis gelandet war... Crowes Verhandlungen
mit den Cops führten zu noch mehr Ärger: Sie glaubten ihm nicht,
daß sie Schauspieler verhaftet hatten, die für ihre Rolle übten.
Crowe kam daraufhin in eine Einzelzelle. - Später konnte der Produzent
unsere Schauspieler wieder frei bekommen...
Hast Du während er Vorbereitungen
zu Romper Stomper Neonazis getroffen und interviewt?
Ja, natürlich. Ich habe mit zahlreichen Neonazis gesprochen. Das
war anfangs nicht leicht, alle waren mißtrauisch, doch letztlich
mögen es die meisten, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Sie
fingen an, sich zu öffnen, redeten, nahmen mich mit - natürlich
nicht zu Schlägereien, sondern zu alltäglichen Tätigkeiten:
Kochen, Einkaufen, mit ihren Freundinnen streiten, sich betrinken - da
wurde es etwas riskant... Ich habe sie nie belogen, sie wußten,
daß ich eine problematische Geschichte zu erzählen hatte, die
sich nicht zu ihren Gunsten entwickelte. Während meiner Recherche
stiegen einige aus der Szene aus und wurden zu den wertvollsten Kontakten,
denn sie erzählten von ihren ÄNGSTEN, ihrer Frustration, ihre
Desillusionierung mit allem eingeschlossen der Neonazis und der Fragen:
was jetzt? Das Haus, die Ehefrau, der Gatte, der Fernseher und die Kinder,
die so wütend werden würden wie sie einst waren, bis ihnen die
Luft ausginge... Ist das ein Leben?
Einige waren furchteinlößend, voller Haß und sehr gefährlich.
Andere waren potentiell gefährlich, abhängig von einer Führerfigur,
erschienen aber harmlos ohne Führer. Einige hatten eine gewalttätige
Vergangenheit, aber aus verschiedenen Gründen - Alter, Verwundung,
eine feste Beziehung, Haftzeit - hatten sie die Gangs verlassen und wurden
zu durchschnittlichen Bürgern. Sie waren ein ziemlich gemischter
Haufen. Was bei den weniger Asozialen auffällt, ist das „mondäne“
- abgesehen von diesem Nazi-Ding, das dann ein Teil der Vergangenheit
war bzw. in der Gegenwart verdrängt wird - ein Exzess der Jugend.
Während der Recherche erschien es mir, daß sich nur wenige
von ihnen für reale Politik interessierten, also wie die Welt, die
Staaten wirklich funktionieren. Was sie eher interessierte, war ein Gedankenmodell,
ein Stammesgesetz, das es ihnen erlaubte, außer Kontrolle zu geraten,
Gegenstände oder Personen zu zerstören, den Thrill der Zerstörung
zu genießen. DAS war der Magnet, wie eine Droge, wie Adrenalin.
Das Nazi-Ding sagt, daß es okay ist, asozial und kriminell zu sein.
Es ist dieser sehr primitive Trieb, der oft vergessen wird, wenn über
die Renaissance oder etwa die Verdrängung dieser Bewegung gesprochen
wird. Tatsächlich appelliert sie an diese primitiven Instinkte der
Jugendlichen - für diese kann das offenbar sehr erheiternd sein...
In Australien traf ich einige Skins nach dem Film - ich hatte sie während
der Vorstellung beobachtet. Sie bejubelten Hando zu Beginn, doch als die
Dinge schlechter liefen für die Gang wurden auch die Skins kleinlauter,
und als die Lichter angingen, waren sie betrübt, dass „ihre“
Seite so enden mußte. Ich denke, die wenigsten Leute reagieren eindimensional
auf diesen Film, denn er liefert eine Art Adrenalinrausch wie eine Achterbahn,
um schließlich „am Boden“ zu enden. Das geht unter die
Haut - und soll es auch. Da überragt Romper Stomper Natural Born
Killers, der in seinen Schlußszenen tatsächlich im Nirgendwo
endet. Mein Film macht es sowohl Rechten als auch Linken schwer, schafft
vielmehr eine Spannung. Sie wollen einfache Botschaften, die von den Leuten
absorbiert werden können. Die Idee, in einem Kunstwerk zu sagen,
der Nazi-Appeal sei letztlich ein Lizenz, außer der Norm zu agieren
- und das auch so zu zeigen -, ist einfach zu ambitioniert für eindimensional
denkende Menschen. Sie sind darauf nicht vorbereitet. Was die Linke und
die Rechte gemeinsam haben, ist die Angst, das Individuum könne nicht
für sich denken und muß statt dessen organisiert und vor sich
selbst gerettet werden. Der Punkt ist: Wenn der Zuschauer in einer Fluchtszene
mitfiebert - und auch die Skins auf der Leinwand aufgeregt sind -, wie
unterschiedlich sind dann Publikum und Portagonisten? Nicht sehr! Das
treibt die Kritiker dieses Films in den Wahnsinn. Für sie darf ein
Kunstwerk niemals so nahe gehen, sondern muß objektiv bleiben, in
einer etwa so tiefgehenden Perspektive, die JENE zeigt (die bösen
Skinheads aus dem Weltall) und UNS (Gut-Menschen, die so nie handeln würden
und deshalb aus der FERNE urteilen können). Ach!? Wirklich? Skinheads
sind nicht DERART unterschiedlich von allen anderen Menschen. Gerade die
Londoner Antifa hat das auf ihre Weise bewiesen.
Hast Du American History X, PARIAH
und Oi Warning gesehen?
Letztere nicht, aber natürlich American History X. Das ist wirklich
kein schlechter Film mit einem wunderbaren Hauptdarsteller. Tatsächlich
denke ich, der äußere Rand ist der beste Ort, ein so brisantes
Thema wie Nazi-Skinheads abzuhandeln, denn nur so kann man schonungslos
sein. Hollywood kann dagegen nie seiner bequemen Perspektive entkommen.
Hast du von der Zensur Deines Films
in Deutschland gehört? Teile des Soundtracks wurden gelöscht
(deutsche Passagen) und die japanischen Touristen am Ende wurden entfernt.
Das mit den Japanern wußte ich nicht! Es wird mich immer erstaunen,
wie reaktionär und oberflächlich Zensoren sein können -
wovor sie Angst haben variiert von Ort zu Ort. Die Amerikaner hatten kein
Problem mit den Japanern, jedoch mit Teilen des Party-Sex“. Warum
die Japaner rausschneiden? Ich bezweifle, daß mir das jemand logisch
begründen kann. Die Japaner werden im Film nicht kritisiert, ihr
Auftauchen zeigt lediglich, daß in der modernen Welt ökonomische
Überlegenheit ALLES (und lächerlich) ist. Nutzlose Verweise
auf rassische Überlegenheit führen in Chaos und Katastrophe,
den diese Behauptungen sind ebensowenig haltbar wie die Aussage, daß
grün blau überlegen ist, oder Kreise besser sind als Quadrate.
Völlig sinnlos. Die gekürzte Szene ging genau darum, war ein
Hinweis für die Neonazis, die diesem Film sehen könnten. Die
moderne Welt ist nicht an rassischer Überlegenheit interessiert,
sie reagiert auf Geld, Kapital. Neonazis sind völlig anachronistisch
diesbezüglich. Die Japaner in der Szene sind reich, können die
Welt bereisen, sie können mit dem tragischen Melodrama am Strand
nichts anfangen. Ihre wenigen Worte zeugen von Schock und Verwirrung.
Man kann sich den primitiven Level des Zensors vorstellen: „Oh Gott,
der Regisseur zeigt die Japaner als arrogant und „höher stehend“
als die Skins...“ Natürlich, denn durch ihr Geld SIND sie höherstehend,
und zudem unschuldig. In den Kriegsjahren hatten die Japaner übrigens
selbst ein faschistoides Regime, das lose mit dem deutschen zusammenarbeitete.
Ihre großen gemeinsamen Pläne - die Streitkräfte im Iran
und in Madagaskar zusammen zu ziehen - kamen nie zustande. Die Japaner
werden beschuldigt, sich nie zu ihren Kriegsverbrechen bekannt zu haben
- speziell der Angriff auf Nanking und die medizinischen Experimente mit
chinesischen Siedlern, die nicht hinter dem Geschehen in deutschen Konzentrationslagern
zurückstehen. Dennoch fürchtet niemand Japan so sehr wie Deutschland,
obwohl sich Deutschland in unvergleichlichem Maße seiner Vergangenheit
gestellt hat. Vielleicht liegt das an der mächtigen Stellung von
Deutschland innerhalb Europas. Zudem kann man sich kaum japanische Jugendliche
mit Uniform und Scheitel vorstellen, die das faschistische Regime zurücksehnen.
Das mag daran liegen, daß Japan nie besetzt war [...und die USA
in Japan?, d.A.] - wie Ostdeutschland... Wer weiß...
Hat dich die allergische Reaktion
bestimmter radikaler politischer Gruppen jemals wirklich geärgert?
Das Leben ist eigenartig. Ich selbst bin natürlich links in meinen
politischen Ansichten, wähle etwa immer die Australische Labour-Partei.
Aber links sein bedeutet NICHT, wie ein Automat in kreativen Belangen
zu reagieren und von Dogma und Panik dominiert zu werden. Das Erhellendste
an der Aufführung von Romper Stomper war die Reaktion der Antifascist-League
AFL in London. Diese hinderte die Zuschauer physisch am Besuch des Films,
indem sie vor den Kinos gröhlend mit Fahnen auf- und abmarschierte.
Ehrlich, in diesem Moment benahmen sich die „Antifaschisten“
genau wie Braunhemden. Und was vermittelten sie dem Publikum? „Wenn
ihr diesen Film seht, werdet ihr zum Nazi?! Vorsicht, euer Gehirn wird
durch diesen bösen Film umgepolt?“ Was soll ich sagen: Die
Leute sind merkwürdig. Sie haben Angst, sie LIEBEN die Macht des
MOB, die ihnen das Gefühl gibt, akzeptiert und mächtig zu sein
- in der Politik geht es nicht nur um politische Macht, sondern auch um
Akzeptanz, Familie, die Erlaubnis, auf ein Weise zu agieren, die anregt
und das Gefühl zu leben vermittelt. Der korrekte Weg für die
AFL wäre gewesen, sich den Film anzusehen (was die meisten wohl nicht
getan hatten), jedem zu erlauben, ihn selbst zu sehen, darüber zu
sprechen, mit mir zu sprechen, mit den Verteidigern des Films zu sprechen
und sie zu fragen, warum sie ihn mögen. Hat die Antifa vergessen,
daß Hitler Jazz und Moderne Kunst verboten hat, weil das „dekadent“
sei und die Gehirne verwirre? Können sie nichts aus der Geschichte
lernen? Jede politische Gruppe, die derart nach Zensur giert, hat ihre
noblen Instinkte verloren und ist zu einer zeitgenössischen Version
des Inquisitors geronnen, der verdächtige Individuen verbrennt, um
„bösen Flüchen“ und Ernteverlusten vorzubeugen.
Indem sie als komplette Idioten agierten, überließen sie den
lokalen Faschisten einen billigen moralischen Sieg. Plötzlich war
die eine pöbelnde Seite nicht mehr von der anderen zu unterscheiden.
So ist das Leben!
Es hat mich immer erstaunt, daß
zu Handos Clique eine gruftig geschminkte Gothicfrau gehört, die
natürlich mit ihrer Freundin im Moment der Krise verstoßen
wird. Sind nicht Gothics ein typisches Feindbild der Neonazis?
Ja, absolut richtig, Gothics und Naziskins passen nicht unter ein Dach!
Trotzdem: Die Leute sind wie sie sind, merkwürdige Verbindungen werden
geschaffen, Gruppenregeln ignoriert, speziell, wenn SEX im Spiel ist.
Ich wollte diese Gruppe eher rauh, keine Automaten, aber - auf bescheidene
Weise - einfach gestrickt. Das heißt: Sie nehmen den Sex, wo sie
ihn finden können. Außerdem: Wenn jemand aus einem rivalisierenden
„Tribe“ ebenso destruktiv und entwurzelt ist wie man selbst,
vergißt man bald die Regeln, schaffte Verbindungen, schläft
miteinander und so weiter. All das macht die Charaktere lebendiger in
dem Sinne, daß sie den Lauf ihres Lebens entlang gespült werden,
ohne die Kontrolle, die sie glauben zu besitzen.
Interview: Marcus Stiglegger
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