Dieses Interview wurde geführt für Splatting Image
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"Die Gewalt spüren..."
Ein Gespräch mit dem Filmemacher Buddy Giovinazzo

Das Leben schwitzt in Cracktown. Der Bügersteig steht in Flammen und verbrennt dir die Fußsohlen. Atmet Dampf, kocht den Boden. Blut und Pisse, Parfüm der der Straße, verdampfen und vermengen sich, bis Deine Nase ausrotzt, was sich in ihr gesetzt hat. (...) Die Hitze und der Dreck wollen rausgelassen sein.
Buddy Giovinazzo, "Cracktown"


0.
"Buddy G." ist eine New Yorker Underground-Ikone wie Richard Kern oder Lydia Lunch. Sein harte, rhythmisierte Prosa und seine rohen, schonungslosen Filmauswürfe sprechen den Slang der Straße, schwitzen das Blut ihrer Opfer und treten mühelos das Erbe von Hubert Selby und einigen der Beat-Autoren an. Während seine Bücher bereits in deutscher Sprache erscheinen, gestaltet sich die Verbreitung seines Filmwerks etwas schwieriger. Das Vietnam-Drama COMBAT SHOCK (1986) erschien hierzulande in einer stark zensierten Videoversion Ende der achtziger Jahre und wurde eher als Bastard-Kind aus dem Troma-Umfeld gehandelt. Buddy Giovinazzo erzählt die Geschichte eines arbeitslosen, traumatisierten Vietnam-Veterans in ungeschliffenen, nervösen Bildern, die seinen endlosen Weg durch die Gosse der Stadt verfolgen. Zu Hause wartet die hysterische Frau mit einem deformierten Kind, draußen verfolgen ihn drei Streetgang-Mitglieder, die ihm nach dem Leben trachten. Einige der Bilder von Kriegsgemetzeln, Drogentoten und Elend brennen sich ein, andere schaffen eine bizarre Distanz. Der Held wird sich schließlich zusammen mit Frau und Kind das Leben nehmen und einen irritierten Zuschauer zurücklassen; Giovinazzo bestätigt keine Klischees: die Welt bleibt ambivalent, eher böse als schön, die Menschen streben und lassen nichts zurück als verwesendes Fleisch... Nachdem er sein finsteres Weltbild in zwei Romanen verarbeitet hatte, kehrte der Regisseur erst neun Jahre später ins Elend von Staten Island / New York zurück. NO WAY HOME (Unter Brüdern) verzeichnet deutliche Fortschritte in Besetzung und Inszenierung. Wieder geht es um einen heimatlosen Drifter (Tim Roth), der in dem Versuch, im Haus seines Bruders ein Zuhause zu finden, in ein Inferno gerät. Sein Bruder (James Russo) lebt dort mit seiner attraktiven, frustrierten Frau (Deborah Kara Unger) und ernährt sich von dubiosen Drogengeschäften. Natürlich war es sein kleiner Bruder, der einst für ihn durch die Hölle des Gefängnisses gehen mußte. Die Geldeintreiber der Drogenmafia dringen schließlich bis ins Heilige des Hauses ein: die Küche, wo sie in einem brachialen Akt von Roth erledigt werden. Sein Bruder stirbt im Kugelhagel der Polizei. Man merkt diesem Gangsterdrama in seiner schnörkellosen, pragmatischen Bildsprache den Versuch an, die soziale Atmosphäre des verelendeten Viertels spürbar zu machen. Manchmal erinnert er so an seinen Kollegen Abel Ferrara, der Interesse an einer Verfilmung von Buddy G.s Buch "Cracktown" zeigte, doch wo Ferrara notfalls immer den sozialen Realismus zu Gunsten des Stils "verrät", bleibt Giovinazzo in strengen Grenzen. NO WAY HOME verweist so tatsächlich auf die Ensemble-Filme der Faßbinder-Familie aus den frühen siebziger Jahren, ein Vergleich der dem Regisseur gefällt: "Life sucks. I have to show it the way it is."

1.
MS: Könntest Du uns bitte kurz einige biographische Angaben zu Deiner Person geben?

BG: Ich bin am 5. Mai 1957 in Staten Island, New York, geboren, wo ich auch meine Kindheit verbrachte; wo ja auch meine beiden Filme spielen. Meine Eltern ließen sich sehr früh scheiden. Mein Vater ist Musiker, also wuchs ich mit Musik auf. Ich spielte Drums und mein Bruder Rick, der Star von COMBAT SHOCK, spielte Baß. Wir machten harten Rock, Heavy Metal... Ich mochte King Crimson usw. Wir spielten oft im CBGB in New York. Sie respektierten uns dort, wir hatten aber nie Erfolg. Das war anders mit unseren Videos. Andere Bands kamen zu mir und fragten mich, ob ich ein Video für sie drehen könnte. So entwickelte es sich und ich konzentrierte mich mehr auf Film.

MS: Also begannst Du als Videoclip-Regisseur?

BG: Als Schüler habe ich natürlich Super-8-Filme gemacht, aber die sind nicht erwähnenswert. Es sind Lehrstücke. Ich habe vier Videos für die Band CIRCUS 2000 A.D. gemacht, und später eins für eine bizarre Heavy-Band namens Father, Son and the Holy Ghost: Da sang der Vater zu der Gitarre seines Sohnes.

MS: Erzähl uns bitte etwas über Deine frühen Kurzfilme.

BG: Etwa 1982 drehte ich einen Horrorfilm namens LOBOTOMY über einen Mann mit bizarren Halluzinationen. Gleich darauf kam THE CHRISTMAS ALBUM über ein Ehepaar, das Weihnachtsgeschenke austauscht. Die Frau schenkt ihm eine Schallplatte mit "satanischer" Musik, die eine dämonische Verwandlung in ihm bewirkt. Jedes Geschenk, das sie ihm gibt, erzeugt mehr Haß in ihm, bis er sie schließlich umbringt. Als die Platte zu Ende ist, erwacht er... und bringt sich selbst um.

MS: Klingt wie ein ironischer Kommentar zu der Legende von der "satanischen" Schallplatte...

BG: Naja, für mich ist es eher gegen Weihnachten als gegen satanische Schallplatten, denn ich mag satanische Schallplatten.

MS: Klar.

BG: Dann drehte ich einen fünfzehnminütigen Film mit dem Titel SUBCONSCIOUS REALITIES, eine Underground-Variante von Ken Russells ALTERED STATES (Der Höllentrip) über einen Typ, der statt eines LSD-Trips eine indianische Droge zu sich nimmt, die ihn grauenvolle Gewaltbilder sehen läßt. In seiner Vision trifft er ein Mädchen, heiratet es bei einem satanischen Priester und sie bläst ihm einen, als er aufwacht und sich wieder alleine in seiner trostlosen Umgebung findet. Er beschließt, erneut in diese Freakwelt einzutauchen...

2.
BG: Dann kam COMBAR SHOCK, den ich schon seit 1983 geplant hatte. Wir begannen dann mit den Vietnam-Sequenzen. Es dauerte ein Jahr, ihn zu drehen und etwa anderthalb, ihn zu schneiden. Vor allem der Soundtrack war sehr schwierig. COMBAT SHOCK hat 28 Tonspuren, was sehr viel für einen Film dieser Größenordnung ist. Er sollte eigentlich eher ein Demotape werden, weniger für den Verleih.

MS: Wie kam die Troma-Gesellschaft schließlich dazu?

BG: Das ist eine interessante Geschichte. Ich bot ihnen den Film sehr früh an, sie lehnten jedoch ab, weil sie ein ähnliches Projekt vorliegen hatten. Ich probierte es dann ein Jahr bei anderen Firmen, bis ich Lloyd Kaufman überreden konnte, sich den Film anzusehen. Dann brachten sie ihn raus...

MS: Es ist wahrscheinlich der beste Film in ihrem Programm.

BG: Vielen Dank. Sie mögen ihn auch sehr gerne, da er für sie eine Chance war, von den Filmrezensenten überhaupt wahrgenommen zu werden. Das geschah auch. Allerdings verglichen sie ihn damals mit RAMBO, COMMANDO und all dem Scheiß...

MS: Mich erinnert er eher an ERASERHEAD, mit dem Baby usw.

BG: Absolut! COMBAT SHOCK ist eine Mischung aus ERASERHEAD und TAXI DRIVER. Das Baby ist eine lustige Geschichte. Laut Drehbuch sollte es nie zu sehen sein. Zufällig hatten wir diesen Spezialeffektmann aus der Vietnamsequenz - er ist der in der Mitte zerrissene Tote -, der das Baby gerne machen wollte. In den Rückblicken haben wir sehr primitiv gearbeitet: viele zerknüllte Papiertücher mit roter Farbe. Und dieser Typ machte uns das Baby, das er an E.T. anlehnte, für hundert Dollar. Er wollte den defintiven "kranken E.T.". Viele Leute mochten diese Effekte nicht, weil sie ihn zu billig fanden.

MS: Gibt es Unterschiede zwischen den Publikumsreaktionen in den USA und Europa?

BG: Extrem! Speziell in Deutschland wurde der Film als Bootleg verbreitet und stößt noch heute auf größeres Interesse als NO WAY HOME.

MS: Vermutlich liegt es daran, daß die Filme ein unterschiedliches Publikum ansprechen. COMBAT SHOCK wirkt gegen NO WAY HOME wie ein Trash-Film.

3.
BG: Für mich ist NO WAY HOME so etwas wie ein Remake. Es gibt Ähnlichkeiten: Das Milieu, drei Gangster, die hinter dem Protagonisten her sind, der Gewaltausbruch in der Küche. Sie leben in einem schrecklichen Haus, Tim Roth läuft ständig durch die Straßen...

MS: Ist die Küche ein wichtiger Lebensraum in diesem Milieu?


BG: Ja, absolut. Man hält sich ständig dort auf, man geht nicht durch die Haustür, sondern verläßt das Haus durch die Küchen-Hintertür. Alles spielt sich dort ab.

MS: Denkst Du, Jim van Bebber hat einen ähnlichen Ansatz als Filmemacher wie Du?

BG: Ich kenne ihn sehr gut, aber er versucht eher, Genreregisseur zu sein, während ich einfach Geschichten erzählen will. Es kann sein, daß sie einen Horror-Effekt haben, was aber nicht heißt, daß es Horrorfilme sind. Es ist Horror durch sozialen Realismus! Kennst Du seinen CHARLIE’S FAMILY? Das ist Oliver Stones JFK des Horrors. Es ist schon jetzt ein Meisterwerk, obwohl Jim ihn noch nicht ganz vollenden konnte.

MS: Würdest Du Dich selbst als Filmkünstler bezeichnen?

BG: Nein, ich bezeichne das, was ich tue, nicht als Kunst. Wenn es schließlich Kunst ist, kommt das nicht daher, weil ich es so angelegt habe. Ich möchte nur realistische Filme machen, um die Leute an einen Ort zu führen, an den sie normalerweise nie gehen würden. Das ist natürlich auch nicht kommerziell. Die Produzenten wollen ihr Happy-End. Sie wollen klar polarisierte Charaktere. Ich will es lieber ambivalent, realistisch eben.

MS: Wann hast Du zu schreiben begonnen?

BG: Das war später, hauptsächlich, weil es mich frustrierte, ständig Scripts zu verfassen, die nicht verwirklicht wurden. Außerdem kann ich Dinge schreiben, die man niemals im Film zeigen könnte.

MS: Hast Du mit den Armen und Obdachlosen, die Du beschreibst, persönlichen Kontakt?

BG: Nun ja, Amerika ist eine Drogen-Gesellschaft. Man sieht ständig Leute, die Klebstoff schnüffeln, Menschen die von allem möglichen abhängig sind. Alles, was sie tun, ist Leben bis zum nächsten Fix. Ich habe keine Freunde, die so sind, aber ich sehe diese Menschen auf der Straße. Es ist merkwürdig, aber einige Verleger haben mich abgelehnt, weil ich nicht der Junkie bin, wie ich ihn beschreibe. Sie konnten mich nicht einordnen...

MS: Wie kommt es zu der neunjährigen Pause zwischen den beiden Spielfilmen?

BG: Weil COMBAT SHOCK so unbeliebt war. Er war den Leuten zu zermürbend. Sie halten das nicht für gutes Filmemachen... Niemand wollte mich. Also griff ich zur Literatur.

MS: Wie kam ein bekannter Schauspieler wie Tim Roth zu einem Underground-Projekt wie NO WAY HOME?

BG: Wir wollten den Film auf billigstem Level drehen, doch Tim kannte das Buch durch seinen Agenten und wollte es machen. Mit seinem Namen fand ich nach fünf Jahren endlich Geldgeber. Und mit dem Geld war es leicht, Deborah Unger und James Russo zu bekommen. Ohne einen bekannten Star bekommt man einfach kein Geld in den USA.

MS: James Russo scheint irgendwie auf diese Machorolle festgelegt zu sein...

BG: Er versucht, das zu verändern. Ich hatte bie NO WAY HOME den Anspruch, seiner Rolle auch einen zarten Aspekt zu geben.

MS: Einige Leute denken, Deborah Unger hat etwas zu viel Klasse für die Rolle...

BG: Ich kenne eher Leute, die sie für zu trashig halten. Aber ja, sie soll wie eine Frau wirken, bei der man sich einfach nicht erklären kann, was sie in dieser runtergekommenen Umgebung zu suchen hat. Wir wollten sie wie Lana Turner in THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE. Einfach zu gut für ihre Welt. Sie ist eine bezaubernde Person und hatte bisher etwas Pech mit ihren Rollen, da CRASH und THE GAME eher Flops waren in Amerika. NO WAY HOME lief dort nichtmal im Kino. Irgendwann wird sie es schaffen.

MS: Ist NO WAY HOME Dein Director’s Cut so wie wir ihn kennen?

BG: Nein, meine Version wäre noch viel blutiger. Wir haben James Russos Tod ganz anders gedreht... Den Produzenten war das Ende von NO WAY HOME zu blutrünstig. Die Amerikaner tun sich schwer mit sowas, vor allem, wenn es ernst gemeint ist. Sie baten mich, es ohne Blut zu drehen, oder genug Zwischenschnitte der Personen zu drehen...

MS: Aber was ist dann mit den Splatterszenen aus DIE HARD...?

BG: Große Studiofilme können sowas durchsetzen, weil sie die Macht und das Geld haben. Einem Billigfilm gibt die MPAA ein X-Rating... Nur auf Video kommt man ohne Rating durch.

4.
MS: Welche Regisseure und Autoren würdest Du als Vorbilder bezeichnen?

BG: David Lynch, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola. Rainer Werner Faßbinder ist wohl mein absoluter Lieblingsregisseur. Seine Idee, daß das Leben "stinkt", und deshalb in Filmen nicht geschönt werden darf, gefällt mir sehr gut. Ich mag die Hoffnungslosigkeit und Depression in Ingmar Bergmans Filmen sehr. Stanley Kubrick dreht Filme, in denen es immer etwas zu entdecken gibt, selbst wenn sie einem nicht gefallen. Bei Schriftstellern ist es William Burroughs, teilweise die Beat-Autoren. Aber ich mag auch schöne Sachen... Anne Rice gefällt mir gut.

M
S: Mich erinnert Dein Schreibstil an Hubert Selby.

BG: Oh, das ist eine Ehre. "Letzte Ausfahrt Brooklyn" ist über die Fünfziger, "Cracktown" über die Neunziger in New York.

MS: Deine Sprache arbeitet manchmal wie Rapsongs...

BG: Das soll natürlich so sein. Die Geschichten könnten alle aus einem Satz bestehen. Ich strebe nach einem phonetischen Tempo, das auch Selby auszeichnet. Es ist schwer, das laut zu lesen, aber im Kopf rast man durch die Zeilen. Burroughs hat mein zweites Buch beeinflußt und mein drittes Buch "Kaputte Straße" ist vermutlich das letzte Buch über die Gossenkultur. Danach werde ich mich anderen Bereichen zuwenden...

MS: Wir wär’s mit ein bißchen Gothic-Fiction?

BG: Das wäre schon möglich...

MS: Siehst Du eine Verbindung zu Abel Ferraras Mischung aus Sozialrealismus und Katholizismus?

BG: Manche vergleichen mich mit ihm. Ich glaube, ich sehe diese Verbindung nicht. Abel mag "Cracktown" sehr gerne und wollte eventuell eine Filmadaption ins Auge fassen. Später teilte er mir mit, sein schlechter Ruf würde dem Projekt eher schaden... Das Ding ist, daß er enormen Stil hat und damit durchkommt, obwohl viele Leute seine Filme nicht mögen. NO WAY HOME dagegen ist eine sehr einfache, direkt erzählte Geschichte. Mein nächstes Projekt wird mehr auf eine visuelle Vision ausgerichtet sein.

5.
MS: Du wirst diesen neuen Film in Berlin drehen...

BG: EVERYBODY DIES basiert auf der Geschichte eines New Yorker Autoren und erzählt von zwei Amerikanern, die nach zwanzig Jahren nach Berlin zurückkehren und dort in eine Mordserie verwickelt werden. Jeder Mord scheint einen neuen nach sich zu ziehen. Es ist ein Thriller, weniger gewalttätig als meine bisherigen Arbeiten, und zwar deshalb, weil Europa weniger gewalttätig ist als Amerika. Dort hat jeder eine Kanone, hier muß man nur aufpassen, daß man nicht zusammengeschlagen wird. Daraus entsteht eine andere Atmosphäre.

MS: Wer wird mitmachen?

BG: Momentan interessieren wir uns für Herbert Knaup aus DIE SIEGER, James Russo und Ornbella Muti. Der Film wird eine deutsche Produktion von TiMe. Christopher Petzold, mein Produzent, hat schon mit NO WAY HOME zu tun gehabt. Ich habe in Amerika kaum eine Chance auf ein Regieengagement. Die Produzenten suchen nach einem Michael Bay, sie wollen THE ROCK und ARMAGEDDON.

MS: Schwer verständlich. Ich mußte THE ROCK nach zwanzig Minuten ausmachen, da er mich nicht mehr interessierte. Die High-Speed-Montage zerstört jeden Charakter...

BG: Ja, das ist grauenvoll. Die Leute verstehen auch nicht wirklich, was dort vor sich geht, die Kamera macht dies und das, dann eine Verfolgungsszene... Alles ist flüchtig, nichts macht Sinn. Manchmal wünschte ich mir trotzdem, ich hätte CONAIR geschrieben, dann wäre ich jetzt um eine Million reicher.

MS: Ich möchte jetzt noch ein paar Gedanken zu folgenden Stichworten wissen. True Crime.

BG: Ist das jetzt ein Quiz? Na schön. True Crime interessiert mich sehr. Die Wirklichkeit ist immer bizarrer als die Fiktion. Alles, was damit zusammenhängt, interessiert mich sehr...

MS: Katholizismus.

BG: Äh, ich denke, das kann man an meinen Arbeiten erkennen. Mein zweites Buch "Poesie der Hölle" ist auf vielerlei Weise katholisch beeinflußt. So bin ich erzogen worden. Später wurde ich geheilt.

MS: Oliver Stone.

BG: Den mag ich sehr. Der Anfang von BORN ON THE FOURTH OF JULY ist sehr beeindruckend, NATURAL BORN KILLERS und JFK gefallen mir gut. Er ist schwer lokalisierbar, manchmal hält man ihn für rechts, manchmal für links. - JFK ist ein Meisterwerk, vor allem was den Stil betrifft. In U-TURN hat das weniger Sinn.

MS: Quentin Tarantino.

BG: Ich denke, PULP FICTION ist ein Meisterwerk. Ebenso RESERVOIR DOGS. JACKIE BROWN mochte ich überhaupt nicht. Tarantino ist ein guter Schreiber, aber ich sehe keine Verbindung zu mir. Seine Gewalt ist leicht zu konsumieren. Er sucht die Distanz, ich will das Gegenteil. Mein Fall ist eher Brian de Palma, der trotz allen Stils sehr ernst ist. SCARFACE ist phantastisch.

MS: Larry Clark.

BG: KIDS mochte ich sehr gerne. Er zeigt die Kids wie sie sind. Sie sind wie Beavis und Butthead. Als Hochschuldozent kann ich das bestätigen. Die Kids sind cool.

MS: William Friedkin sagt über seinen Sohn, er "sei Butthead" und dafür hasse er ihn - obwohl er ihn natürlich liebt. Was denkst Du über Friedkins Werk?

BG: THE FRENCH CONNECTION, THE EXORCIST und SORCERER sind meisterlich und sprechen für einen wichtigen Filmemacher. EXORCIST machte mir jahrelang Angst; wo soll man sich vor dem Teufel verstecken? Er ist brillant und offenbar ein Verrückter. TO LIVE AND DIE IN L.A. ist genial. Friedkin hat atemberaubende Soundtracks: Wang Chung, Tangerine Dream... SORCERER scheint seine Karriere zerstört zu haben, was mich sehr verwirrt; es ist eine großartiger Film. CRUISING ist als Dokument interessant, weil die Straße, die er zeigt, heute so nicht mehr existiert. Die ganze harte Lederszene ist verschwunden, die Clubs. Diese Szene war einmalig: Nirgends gab es so harte Schwule wie in New York damals. Wenn man sie "Schwuchtel" genannt hätte, hätten sie einen getötet.

MS: Ein paar letzte Worte zu William Lustig, mit dem Du an
MANIAC 2 gearbeitet hast.


BG: Er ist ein guter Freund von mir. Er stellte mir Joe Spinnell vor und ich machte mit ihm den Trailer zu MANIAC 2. Ich denke MANIAC hat eine sehr bösartige Atmosphäre. MANIAC ist ein böser Film. Aber Bill ist ein lieber Kerl, den ich sehr mag.

MS: Hattest Du wie er mit Pornofilmen zu tun?


BG: Jeder, der eine Filmkarriere anstrebt, bekommt irgendwann mit Pornofilmen zu tun. Das ist reines Geschäft. Sie suchen nach einem Cutter und Du machst es, einfach wegen des Geldes. Also schneidest Du einen Pornofilm...

MS: Buddy, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Glück für Deine Dreharbeiten in Berlin!


Filmografie:
1982 LOBOTOMY (Kurzfilm)
1983 THE CHRISTMAS ALBUM (Kurzfilm)
1984 SUBCONSCIOUS REALITIES (Kurzfilm)
1986 COMBAT SHOCK (Combat Shock)
1995 NO WAY HOME (Unter Brüdern)
außerdem
MANIAC 2 - MR. ROBBIE (Promo-Reel)
JONATHAN OF THE NIGHT (Promo-Reel)
Bibliografie:
1993 LIFE IS HOT IN CRACKTOWN (Cracktown)
1995 POETRY AND PURGATORY (Poesie der Hölle)
1997 ON BROKEN STREET (Kaputte Straße)

Das Gespräch führte Marcus Stiglegger