Teufelsgeiger

Ein Gespräch mit dem Musiker Matt Howden (SIEBEN)

von Martin Kreischer

Matt Howden ist einer der ungewöhnlichsten Musiker unserer Zeit. Bislang weitestgehend unentdeckt von einer größeren Hörerschaft, veröffentlich der Violinist seit Jahren konstant Alben als Sieben oder unter seinem eigenen Namen. Dabei arbeitet er mit Loops, er schichtet diverse Violinen-Töne und Melodien übereinander, bis sich eine dichtes Klangdickicht ergibt, das ebenso eindrucksvoll wie hypnotisch ist. Auch das neuste Sieben-Album, „Star Wood Brick Firmament“ wurde wieder durch diese Methode erschaffen.

Der Titel des Albums ist onomatopoetisch: „Star Wood Brick Firmament“. Die Worte verbinden Himmel und Erde.

Ich mag es, wie die Wort über die Zunge laufen. Auch der Gegensatz zwischen greifbarem, hartem Material (Holz und Stein) und dem weniger fassbaren (Sterne und das Firmament) bildet einen schönen Kontrast. Auch in den Stücken selbst gibt es Dinge, die greifbar, haptisch und vorstellbar sind, während andere komplexer und weniger „stofflich“. Zum Beispiel „Build you a song“: Es gibt da einmal den physikalischen Akt, das Zusammenbauen eines Liedes, Schicht für Schicht, wie man Bausteine aufeinander stapelt. Doch die Absicht dahinter, Liebe, hat keine stoffliche Qualtität. Man kann also mit dem Holz und den Bausteinen der Musik etwas aufzeigen, das weniger handfest ist und nur in den Zwischenräumen zwischen Mörtel und den Steinen sichtbar wird.

„As they should sound“ war eine Wende in deiner Musik: Weg von den naturmystischen Liedern hin zu einer mehr urbanen Atmosphäre.

Das war meine Absicht. Teils weil ich einfach den Großteil meiner vergangen Arbeit auf natürliche Themen aufgebaut habe. Es gibt natürlich immer noch Themen und Motive, die mit der Natur zu tun haben, doch mir war es wichtiger, dass Geschichten dieses Album zusammenhalten. Früher hatte jedes Album ein übergeordnetes Thema, das Album konnte als ein ganzheitliches Werk aufgefasst werden. Doch diesmal wollte ich etwas anderes: Die einzelnen Geschichten verlangen ihre eigene Stimmung, ihr eigenes Gefühl, ein eigene hypnotische Qualität.

Zwei der Stücke auf dem neuen Album befassen sich mit dem tragischen Schicksal des britischen Seglers Donal Crowhurst, der bei einer Weltumseglung wahnsinnig wurde und sich das Leben nahm.

Diese Geschichte ist unglaublich traurig. Ein Mann, dessen Leben von verschiedenen Seiten auseinander gerissen wird. Eigentlich sollte es nur ein Stück werden, aber ich konnte darin nicht die gesamte Geschichte bearbeiten, so sind zwei Lieder entstanden. In „Donald“ blickt er zurück auf sein Leben, er kann sich von seinem Wahnsinn befreien und sieht, wie er bis zu diesem Punkt gekommen ist. In „Crowhurst“ ist er auf dem Höhepunkt seines Wahnsinns – oder vielleicht doch eher auf dem Höhepunkt der Erkenntnis?

Du hast auf „Star Wood Bick Firmament“ ein eigenes, älteres Stück neu bearbeitet: Aus dem Lied „John in the Pulpit“ wurde nun „Jack in the Pulpit“ – warum diese Neubearbeitung?

 

Das liegt an meiner Leidenschaft (oder besser: Obsession) meine Werke ständige zu verbessern und zu verfeinern. Die erste Aufnahme stammt von dem Sex & Wildflowers Album, das erste Album, bei dem ich mit Violinen-Loops arbeitete. Das war damals eine Übergangsphase, ich griff also auch noch auf andere Instrumente wie Bass, Schlagzeuge, Mandoline und so weiter zurück. Über die Jahre hat sich das Lied immer weiter entwickelt und ich wollte John the Pulpit noch mal in einer Version aufnehmen, die meinem momentanen Stand entsprich, also mit Violinen-Loop, mit einer mehr Beat-orientierten Struktur. Die Blume, auf die der Originalsong anspielt heißt eigentlich auch Jack in the Pulpit und nicht John – damals hat mir das ein Freund so erzählt und ich hab es leider ungeprüft übernommen. Ein sehr guter und lieber Freund – aber leider nicht der Hellste.

Deine Lieder sind somit auch immer Reflektion deiner bisherigen Musik. Könnte man sagen, dass du Metamusik machst, also Musik über das Musikmachen?

Alles baut auf einander auf und wächst aus dem, was bereits existiert, das stimmt. Ich arbeite sehr hart, um meine Vorstellungen zu verwirklich, die weit ab vom Standard sind und um nicht zu stagnieren. Das ganze mach ich natürlich für mich selbst, für meinen persönlichen Stolz und für meine Hörer. Es mag sein, dass dadurch bestimmte Alben nicht jedem gefallen – „Desire Rites“ ist da ein gutes Beispiel. Einige finden das Album phantastisch, andere konnten mit dem Thema und den modernen Beats nichts anfangen. Aber ohne „Desire Rites“ hätte es niemals „Star Wood Brick Firmament“ gegeben, oder alle nachfolgenden Alben. Jede Entwicklung formt mich und hilft mir zu verstehen wer ich bin und was ich tue. Ich versuche jedes Mal noch mehr zu geben und es noch besser zu machen.

Das Stück „Long live the post romantic empire“ ist dem italienischen Photographen Giulio Di Mauro gewidmet. Er hat auf seiner Website ein Manifest zu seiner Idee des Post Romantic Empire veröffentlicht – kannst du dich damit identifizieren?

Das habe ich jetzt erst entdeckt. Ich hab’ es eigentlich nicht so mit Manifesten. Das ist ohnehin Giulios Vision, eine sehr schöne und wertvolle. Mein eigenes Manifest, wenn man so nennen will, war in diesem Fall allerdings mehr, einen guten Freund zu unterstützen, der immer seinem eigenen Traum gefolgt ist. Dadurch ergaben sich für mich einige der schönsten und ungewöhnlichsten Konzerte, einige sehr beeindruckende Momente und Reisen sowie definitiv die besten Mahlzeiten, die ich je gegessen habe. Ich arbeite derzeit als Teil eines größeren Projekts für das PRE. Bisher kann ich darüber noch nichts verraten, aber sehr bald werden wir sicher ein paar Details dazu veröffentlichen. Es sind einige sehr große Namen darin involviert und ich bin sehr froh, als einer der vier Komponisten meine Beitrag zu leisten.

Was macht das auf dem Album gehuldigte Minack Theater zu einem derart besonderen Ort?

Es ist ein wundervoller Ort. Von außen ist das Theater von Meeresklippen umgeben, in der Nähe von Porthcurno in Cornwall, sehr idyllisch. Wichtiger jedoch ist, dass es ein Platz ist, der mit viel Leidenschaft erschaffen wurden von Rowena Cade und ihren Helfern. Es war ihr Lebensziel, dieses unglaubliche Open-Air Theater direkt am Meer zu entwerfen und zu realisieren. Ich hab dort mit mir sehr eng stehenden Menschen einen wunderschönen Urlaub in Cornwall verbracht. Das Stück entstand als ich ein bisschen Zeit hatte, während ich dort auf dem Campingplatz darauf wartete, dass meine Wäsche im Trockner fertig wurde. Die Worte waren auf einmal da, das Theater und die Leidenschaft, die damit verbunden ist haben einen sehr starken Eindruck bei mir hinterlassen. Ich würde dort sehr gerne auftreten.

 

Auf wen genau warten wir eigentlich in dem Lied „We wait for them“?

Wer weißt das schon? Ich werde es sich nicht verraten! Wie in allen guten Horrorfilmen ist es immer am besten, wenn man am Schluss nicht das schlecht gemachte Monster am Ende sieht. Viele Leute haben mit E-Mails, Briefe und Kurznachrichten geschrieben und wollten wissen, ob Außerirdische, Geister, Invasoren oder die Götter kommen. Je weniger ich sage, desto besser: Denn auf was auch immer man wartet, wird am Ende eintreffen.

„Can’t stop this“ – bist dazu gezwungen immer weiter zu machen?

Ich bin besessen. Aber ich hab gelernt, die destruktiven und unsozialen Züge meiner Leidenschaft unter Kontrolle zu halten. Früher konnte mich die Musik komplett aufzehren. Heute kann ich das besser kontrolliert, meine Gefühle viel besser auf den Punkt bringen.

Es scheint so, also würden dir die Konzerte mehr liegen, als das Aufnehmen von Alben.

Es sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Es macht natürlich Sinn, ein Konzert von mir zu besuchen, um zu verstehen, wie meine Lieder aufgebaut sind. Die Stücke sind live auch weitaus roher. Auf dem Album klinge ich ein wenig gezähmter.

Was kommt nun als nächstes? Es war zu lesen, dass du wieder ein Album mit deinem Vater planst, mit dem du bereits für „The Matter of Britain“ zusammengearbeitet hast.

Ja, ich habe ein paar Aufnahmen gemacht, bei denen er seine besten Gedichte vorliest. Ich werde dann Musik dazu schreiben, aber zu erst mache ich ein wenig Urlaub. Zudem arbeite ich gerade an einem Soundtrack zu Martin Hans Schmitt’s Dokumentation Robot World, die komplett ohne Worte sein wird – eine ein-stündige Dokumentation für die BBC. Zudem schreibe ich noch ein paar Soundtracks für ein paar Kurzfilme. Nach dem Urlaub steht auch wohl wieder ein Sieben-Album an, aber darüber mach ich mir nach meinem Urlaub Gedanken.

(c) Copyrightinhaber, Matt Howden press kit and cover art