Alejandro Jodorowsky zum Geburtstag Von Richard Klasen Die Filme von Alejandro Jodorowsky
(Fando und Lis, El Topo, Montana Sacre), Verlag Bildstörung Mit Geburtstagen ist es in der Welt des Alejandro Jodorowsky so eine Sache: Oft sind sie in seinen Werken mit Schicksalsschlägen aller Art verbunden. So überreicht in seinem Comic-Meisterwerk LE CŒUR COURONNE (dt. Lust und Glaube) die Ehefrau von Jodorowskys Alter Ego Alain Mangel ihrem Gatten pünktlich zum 60. Geburtstag die Scheidungspapiere – in Anwesenheit aller Gäste und ihres neuen, jüngeren Liebhabers. Nicht viel besser ergeht es dem jungen Aghnar aus seinem Science Fiction-Epos LA CASTE DES META-BARONS (dt. Die Kaste der Meta-Barone): Das mit einem körperlichen Makel geborene Kind wird zu seinem siebten Geburtstag von seinem eigenen Vater zu einem Duell auf Leben und Tod herausgefordert. Wir gehen davon aus, dass der in Chile geborene Regisseur, Comic-Autor, Romancier, Essaist, Tarot-Leger, Pantomist, Psychomagier und Therapeut seinen Geburtstag am 17. Februar in seiner Wahl-Heimat Paris dennoch genießt. Grund genug dazu hätte er: Die letzten Monaten waren für Jodorowsky außerordentlich produktiv und erfolgreich. So konnte er im letzten Jahr nach 23-jähriger Funkstille und dem künstlerischenm Mega-Flop THE RAINBOW THIEF in Cannes mit LA DANZA DE LA REALIDAD wieder einen neuen Film präsentieren, der künstlerisch an seine Meisterwerke EL TOPO, MONTANA SACRA (dt. Der heilige Berg) und SANTA SANGRE anknüpfen soll. Nach einer Aufführung auf dem Münchener Filmfest 2013 ist der Film allerdings erst in diesem Sommer regulär in deutschen Lichtspielhäusern zu sehen. Das Gleiche gilt für die Dokumentation JODOROWSKY’S DUNE, die sich mit dem spektakulären Scheitern seiner Verfilmung des Science Fiction-Klassikers von Frank Herbert beschäftigt: Der Film, der nie gedreht wurde, verschlang viele Millionen Dollar. Für den Therapeuten Jodorowsky sind beide neue Filme womöglich selbst eine Art Therapie: Während die Dune-Dokumentation erneut jenen Reinfall, der ihn unfreiwillig zum Comic-Autoren machte (Link auf http://www.filmfest-muenchen.de/de/aktuelles/news/2013/6/auftritte-jodorowsky.aspx), thematisiert, verarbeitet der Chilene mit LA DANZA DE LA REALIDAD die Beziehung zu seinem Vater. Eben diese kann als eine der größten Triebfedern seines Schaffens betrachtet werden, kennzeichnet doch neben seinen Filmen EL TOPO und SANTA SANGRE auch viele seiner Comicwerke – allen voran L’INCAL (dt. Der Inkal) – die fast manisch zu nennende Beschäftigung mit schwierigen Vater-Sohn-Beziehungen. LA DANZA DE LA REALIDAD könnte in dieser Beziehung ein Kulminationspunkt in Jodorowskys Schaffen sein. Jodorowsky wird gerade in Deutschland durch seine neuen Filme und aufgrund seines 85. Geburtstags wiederentdeckt. Derzeit werden viele seiner Werke deutschlandweit in den Kinos gezeigt: Nach einer Retrospektive im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie folgen Werkschauen in unter anderem Köln, Düsseldorf, Wien und Zürich. Der deutsche Verlag Bildstörung trägt ebenfalls zu Jodorowskys Wiederauferstehung bei und bringt eine DVD-Box mit den Jodorowsky-Frühwerken FANDO Y LIS, EL TOPO und MONTANA SACRA heraus. Den Inhalt der Box atemberaubend zu nennen wäre untertrieben. Jahrelang litten vor allem deutsche Sammler an der schlechten Ton-Qualität von EL TOPO-Bootlegs und der rotstichigen deutschen Version von MONTANA SACRA. FANDO Y LIS wiederum war quasi gar nicht erhältlich. Das rührige Team von Bildstörung hat ganze Restaurationsarbeit geleistet und beispielsweise bei MONTANA SACRA die besten Ton- und Bildspuren der diversen Kopien ausgewertet und zusammengefügt. Das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. Neben den drei Filmen gibt es eine ganz Reihe von Extras wie Jodorowskys 1957er Thomas Mann-Adaption LA CRAVATE, die zwar bekannte, aber gute Dokumentation LA CONSTELLATION JODOROWSKY, die üblichen, aber interessanten Audio-Kommentare des Regisseurs, Interviews mit Jodorowsky über seine Filme und Tarot-Arbeit sowie schlussendlich CDs mit den Soundtracks zu EL TOPO und MONTANA SACRA. Über seine Arbeit an LA DANZA DE LA REALIDAD hat der mysteriöse Chilene seine Comic-Kunst nicht vergessen. Und so ist es schön zu lesen, dass nach fast dreijähriger Wartezeit im Bielefelder Splitter-Verlag endlich der dritte Teil der Reihe LE PAPE TERRIBLE (Dt. Der schreckliche Papst) erschienen ist. Im übertragenen Sinn geht es auch hier mit einem Papst als Hauptprotagonisten um eine Vaterfigur. Für seine Geschichte vom Aufstieg und Fall des Renaissance-Herrschers Julius II. zeichnet Jodorowsky ein bizarres und blutiges Sittengemälde des Vatikans dieser Zeit. Die historische Genauigkeit bleibt dabei außen vor und zuweilen sind die Gewaltexzesse und die homoerotische Verdorbenheit der Handlung durchaus vorhersehbar. Unterm Strich ist sich Jodorowsky aber auch mit diesem Comic treu geblieben und das Script ist mit den ebenso realistischen wie atemberaubend-atmoshärischen Zeichnungen der Comic-Hoffung Theo überaus schön illustriert. Zur Handlung : Nachdem in den ersten beiden Teilen der
Serie der unaufhaltsame, skrupellose und intrigante Aufstieg des Giuliano
della Rovere zum Papst beschrieben wurde, befindet sich dieser nun auf
dem Zenit seiner Macht. Doch erste Omen seines Niedergangs erscheinen
bereits am Horizont und machen Appetit auf den letzten, vierten Band,
der hoffentlich nächstes Jahr erscheint. Auf epische Gerechtigkeit
sollte der Leser bei Jodorowsky dabei nicht hoffen. |
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