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Nils Ehring
Licht und Schatten
La Maschera del Demonio und I tre volti della Paura
von Mario Bava
Die Filme von Mario Bava wurden über einen langen
Zeitraum hinweg übersehen. Er ist vor allem ein Filmemacher, der
von anderen Regisseuren geschätzt wird. So beschreiben zum Beispiel
Künstler wie Martin Scorsese, John Carpenter, Joe Dante, Dario Argento
oder auch Tim Burton, Bava als einen großen Einfluß für
ihre Filme. Erst in den letzten Jahren, durch das digitale Medium der
DVD, sind Bavas Filme wieder der Öffentlichkeit zugänglich.
Immer mehr Werke des italienischen Filmemachers gelangen an die Oberfläche
und machen den immensen Einfluß seiner Filme auf das Horrorgenre
offensichtlich.
In den diversen Büchern über die italienische
Filmindustrie und ihre bedeutenden Regisseure des letzten Jahrhunderts
finden sich häufig Informationen zum Neorealismus. Der italienische
Horrorfilm wird dort kaum erwähnt. Der Neorealismus war eine gegen
Ende der vierziger Jahre in Italien aufkommende filmische Stilrichtung,
„die sich durch betont kunstlose quasidokumentarische Abbildung
von sozialer Realität auszeichnete,...“(1). Doch Mario Bavas
Werke waren sehr weit entfernt von dieser Art von Film. Als ehemaliger
Kunststudent war er vielmehr daran interessiert, kunstvolle und atmosphärische
Werke zu erschaffen. So beschreibt zum Beispiel Riccardo Freda die Filme
Bavas als das vollkommene Gegenteil zur neorealistischen Stilrichtung.
In einem Interview sagte der Mentor von Bava, seine Werke seien „für
all jene, die von Filmen mehr Phantasie und eine Flucht aus der Realität
statt einer platten Wiedergabe des gewöhnlichen Lebens erwarten,...“(2).
Mario Bava erschuf diese phantastischen Filme besonders mit Hilfe einer
surrealen Lichtgestaltung.
Der Horrorfilm der sechziger Jahre arbeitete noch nicht
mit expliziten und schockierenden Elementen wie zum Beispiel der besonders
in den siebziger Jahren erfolgreiche Splatterfilm. Als Bava Filme drehte,
war die Gestaltung von schauriger Atmosphäre mit Hilfe des Lichts
wichtig. Ihm gelang es, wie kaum einem Anderen, Angst durch kleine aber
präzise Lichteffekte zu erzeugen. Bava vereinte in seinen Filmen
verschiedene künstlerische Stile aus diversen Epochen der bildenden
Kunst. Besonders häufig wandte er Lichttechniken der barocken Malerei
an, so zum Beispiel das Schlaglicht, welches sich in den Gemälden
von Caravaggio und Rembrandt finden lässt.
Doch wie setzte Bava diese Techniken ein und zu welchem Zweck? Wie erzeugte
er mit dem Licht eine Stimmung der Angst und Bedrohung? Welche Unterschiede
der Lichtsetzung fallen auf, wenn man seine Schwarz-Weiß Filme mit
seinen Farbfilmen vergleicht? Auf all diese Fragen soll die vorliegende
Arbeit Antworten finden.
Zu Beginn werde ich eine kurze und präzise Biographie
des Regisseurs präsentieren. Dies erscheint mir wichtig, da sich
aus dem Lebenslauf von Mario Bava sein Hang zum kunstvollen Umgang mit
Licht und Kamera bereits erklären lässt.
Im Hauptteil der Arbeit werde ich zwei Werke von Mario Bava untersuchen,
welche meiner Meinung nach die herausragendsten Filme aus dem Gesamtwerk
des italienischen Regisseurs darstellen. Zunächst werde ich sein
in Schwarz-Weiß gedrehtes Regiedebüt La Maschera del Demonio
(Die Stunde wenn Dracula kommt) aus dem Jahre 1960 genauer analysieren.
Dabei wird besonderes Augenmerk auf die kontrastreiche Lichtgestaltung
des Films gerichtet. Außerdem werde ich untersuchen, wie Bava das
Licht und die Schatten verwendete, um eine morbide Atmosphäre zu
erzeugen. Ebenfalls werde ich in diesem Abschnitt meiner Arbeit genauer
darauf eingehen, wie der Regisseur Licht einsetzte, um die Psyche der
Figuren zu visualisieren.
Das zweite hier zu analysierende Werk stellt seinen ersten
in Farbe gedrehten Horrorfilm dar, mit dem Titel I tre volti della Paura
(Die drei Gesichter der Furcht) aus dem Jahre 1963. Hier soll besonders
die farbliche Gestaltung der drei Episoden des Films genauer untersucht
werden. Außerdem soll dargestellt werden, wie Bava mit Farben Stimmungen
erzeugte.
Im abschließenden Teil der Arbeit werde ich meine persönliche
Meinung zu den behandelten Filmen äußern und die Bedeutung
von Bavas Werken für das Horrorgenre aufzeigen.
Der Mann für alle Fälle
Mario Bava wurde am 31. Juli 1914, kurz nach dem Beginn
des ersten Weltkriegs, in San Remo geboren. Sein Vater Eugenio Bava, ursprünglich
ein Bildhauer, war bereits in der frühen Blütezeit des italienischen
Kinos als Kameramann und Experte für Spezialeffekte im Filmgeschäft
tätig. Der kleine Mario wuchs also in einer von Kunst und Film geprägten
Umwelt auf. Später begann er in Rom, Kunst zu studieren, brach sein
Studium allerdings aufgrund von finanziellen Problemen, aber auch wegen
Schwierigkeiten mit dem Universitätssystem im faschistischen Italien
ab. Daraufhin führte sein Vater ihn ins Filmgeschäft ein, und
Mario wurde somit zum Assistenten des Familienoberhaupts am Instituto
LUCE. Dort lernte er sein Handwerk von seinem Vater, der ihm den malerischen
Einsatz von Licht lehrte und ihm viele Tricks im Bereich der Spezialeffekte
beibrachte. Mario Bavas Karriere als Kameramann begann bereits im Jahre
1937 mit dem Film L´Avventura di Annabella. Schnell machte er durch
seine innovativen Spezialeffekte und seine Ausleuchtungsideen auf sich
aufmerksam. Im Laufe der fünfziger Jahre wurde er zum gefragtesten
Kameramann und Filmtechniker in den Cinecitta Studios. Häufig wurde
Bava angeheuert bei inszenatorischen Problemen in den unterschiedlichen
Produktionen. Gab es ein technisches Problem oder Schwierigkeiten damit,
aus einem geringen Budget so viel wie möglich herauszuholen, so war
Bava der Mann, den man rief. So gelangte er auch zu seiner ersten inoffiziellen
Regiearbeit. Im Jahre 1956, beim Dreh zum ersten italienischen Horrorfilm
nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Titel I Vampiri (Der Vampir von Notre
Dame), zerstritt sich der Regisseur Riccardo Freda mit den Produzenten.
Bis zu diesem Zeitpunkt war aber erst die Hälfte des Films abgeschlossen,
also engagierte man Mario Bava, um den Film fertig zu drehen. Bereits
dieses frühe Werk trägt die markante Handschrift des Regisseurs.
Mit Licht und Schatten erzeugte er eine ungewöhnliche Atmosphäre
und eine erotische Spannung. I Vampiri war zur damaligen Zeit kein großer
Erfolg, da das italienische Publikum sich mehr für angloamerikanische
Horrorfilme interessierte. Dennoch war der Film Initiator für eine
Welle von Horrorfilmen aus Italien, die bis zum Beginn der achtziger Jahre
den europäischen und amerikanischen Markt überflutete und später
zu einer Übersättigung führte. Der spanische Regisseur
Jesus Franco beschreibt jene Blütezeit des italienischen Kinos folgendermaßen:
„Dann, nach ein paar Jahren des Neorealismus [...],
begann das goldene Zeitalter der gewaltigen italienischen Filmindustrie
und die Tore der Phantasie wurden wieder weit geöffnet. Ihr Weg war,
natürlich, von Bava und Freda geebnet worden.“(3)
Mario Bava war für die nächsten drei Jahre weiterhin
tätig als inofizieller Co-Regisseur bei diversen Produktionen. Erst
im Jahre 1960 führte er offiziell Regie bei seinem ersten Film mit
dem Titel La Maschera del Demonio. Der Film war national und international
ein voller Erfolg. Barbara Steele wurde durch ihre Doppelrolle zur Diva
des europäischen Horrorfilms, und die amerikanische Produktionsfirma
AIP erwarb die Rechte für das englischsprachige Ausland. Bavas Karriere
als Regisseur war geebnet, und im Laufe seines Lebens schuf er ca. 25
Spielfilme. Darunter waren allerdings nicht nur Horrorfilme, sondern auch
seichte Komödien, softe Erotikfilme und Western. Kurz nachdem er
Dario Argento bei seinem Film Inferno im Bereich der Spezialeffekte unterstützt
hatte, starb er am 25. April 1980 im Alter von 65 Jahren an den Folgen
eines Herzinfarkts.
Der gotische Roman - Die schwarze Romantik
Der gotische Roman hat seinen Ursprung in der Frühromantik
und stellt eine „englische Variante des Schauerromans“(4)
dar. Dieser war eine Form der Unterhaltungsliteratur in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts. Der wohl bekannteste Autor dieser Literaturgattung
war der deutsche Schriftsteller E. T. A. Hoffmann. Zu den bedeutendsten
Werken der gothic novels zählt Frankenstein or The Modern Prometheus
von Mary Shelley, oder auch der Roman The Monk von Matthew Gregory Lewis.
Der gotische Roman repräsentiert eine schwarze und düstere Literaturform
der Romantik.
Zunächst sollte festgehalten werden, dass der gotische Roman immer
eine bestimmte Atmosphäre und ein gewisses Setting darbot. Diese
Kriterien der schwarzen Romantik beschreibt der Autor von zahlreichen
vom gotischen Stil angehauchten Kurzgeschichten, H.P. Lovecraft, in seinem
Werk Die Literatur der Angst - Zur Geschichte der Phantastik wie folgt:
„An erster Stelle dieser neuartigen dramatischen
Versatzstücke steht die weit-
läufig und verschachtelt angelegte, uralte gotische Burg mit ihren
verlassenen oder verfallenen Gebäudeteilen,[...] und der unerschöpfliche
Fundus von Requisiten, der seltsame Lichterscheinungen, feuchte Falltüren,
plötzlich verlöschende Lampen, verborgene modrige Manuskripte,
quietschende Türangeln, sich hin und her bewegende Wandteppiche und
dergleichen umfaßt.“(5)
Auch Mario Bavas Regiedebüt ist angereichert mit den
von Lovecraft erwähnten typischen Elementen des gotischen Romans.
Die im gotischen Stil erbaute Burg mit vielen dunklen Gängen findet
sich in zahlreichen seiner früheren Filme. Auch das Motiv der sich
langsam quietschend öffnenden Tür ist dort anzutreffen. Ebenso
die für den Gruselfilm typischen majestätischen Ritter-Rüstungen
findet man dort. Bava verleiht diesen gotischen Versatzstücken eine
unheimliche Aura und ein Eigenleben durch geschickte Lichtsetzung. Die
oben erwähnten Objekte befinden sich häufig im Halbschatten
oder im Dunkeln. Manchmal sind sie auch einfach grell beleuchtet. Ein
Regisseur muss sich der Wirkung dieser unheimlichen Lichtgestaltung bewusst
sein, denn „jedes Kind kennt die Gesichter der Dinge und geht mit
klopfendem Herzen durch das halbdunkle Zimmer, in dem Tisch und Schrank
und Sofa wilde Grimassen schneiden und mit wunderlichem Mienenspiel etwas
sagen wollen.“(6)
Der Filmemacher lässt sich sehr gut mit dem Autor
vergleichen. Sowohl in den Kurzgeschichten von Lovecraft, als auch in
den frühen Werken von Bava oszillieren die Bereiche des Realen und
des Surrealen. Doch während beim Autor das Grauen urplötzlich
in die Realität eindringt oder aus ihr herausbricht, erschafft Bava
eine filmische Welt, die ständig den surrealen Kosmos berührt
und den Zuschauer somit mit einer unterschwelligen Gefahr konfrontiert.
Wie Bava diese gefahrenvolle Stimmung erzeugte, soll in den folgenden
Kapiteln erläutert werden.
Die niederschmetternden Kritiken und die Bedeutung der Atmosphäre
Die Bereiche der Logik werden in der Phantastik systematisch überschritten.
Viele Kritiker bezeichneten Bavas Debüt als unlogisch und als einen
„hanebüchenen Streifen“(7). Diese Aussagen zeugen von
einer gewissen Ignoranz gegenüber dem phantastischen Stoff und legen
eine falsche Herangehensweise an das Horrorgenre offen. Versucht man,
die Werke des italienischen Regisseurs auf rationale Weise zu analysieren,
so kommt man nicht weit. Bava waren die Atmosphäre und damit eng
verbunden die Bildgestaltung wichtiger als der Aufbau einer logischen
Dramaturgie. Auch Georg Seeßlen sieht die Vorzüge von Bavas
Werken in der ästhetischen Gestaltung: „Bava hat eine Ästhetik
des Todes und des Verbrechens kreiert. Zum Teufel mit der Logik. Es zählt
nur die bildliche Schilderung der Gewalt;...“(8).
Hauptziel der Filme von Mario Bava und des Horrorfilms
im Allgemeinen ist es, Emotionen und besonders Angst beim Zuschauer zu
evozieren. Die Ratio des Betrachters wird allmählich ausgestaltet,
bei Bava betritt er eine Welt der kunstvoll gestalteten artifiziellen
Atmosphäre. Wie wichtig diese im Film und in der Kunst ist, beschrieb
bereits Bela Balazs in seinem Buch Der sichtbare Mensch oder die Kultur
des Films:
„Die Atmosphäre ist wohl die Seele jeder Kunst.
Sie ist Luft und Duft, die wie eine Ausdünstung der Formen alle Gebilde
umgibt und ein eigenes Medium einer eigenen Welt schafft.[...] Wenn diese
Atmosphäre einmal da ist, kann die Unzulänglichkeit der einzelnen
Gebilde nicht mehr Wesentliches verderben.“(9)
Hier wird deutlich, dass Balazs die atmosphärische Gestaltung eines
Kunstwerks höher ansiedelt als seine logische Zusammensetzung. Erst
wenn einem Kunstwerk eine Atmosphäre innewohnt, besitzt es eine Seele
und ist fähig, die Seele des Betrachters zu berühren.
Bavas Filme erfüllen diesen Anspruch an die Kunst,
sie erschaffen eine Atmosphäre auf der Leinwand und somit auch im
Zuschauer. Seine Werke rütteln an unserem Unbewussten. Der offene
Betrachter erlebt somit eine Veränderung in seinem Inneren, der Filmkritiker
Christian Keßler beschreibt diesen Wandel in dem Booklet zur deutschen
DVD von I tre volti della Paura
folgendermaßen: „All die Konstanten, die einst vom leuchtenden
Intellekt errichtet worden sind, erweisen sich auf einmal als wankelmütige
Gefährten im Sturm des Lebens, wenn die Gefühlswelt ihre Hoheit
anmeldet.“(10)
La Maschera del Demonio
Wie auch häufig im gotischen Roman präsentiert der Film La Maschera
del Demonio uns die Geschichte einer Familie, die einer Bedrohung ausgesetzt
ist. Diese dringt allerdings nicht von Außen ein, sondern hat ihren
Ursprung innerhalb der Familie. Im Moldawien des 17. Jahrhunderts wird
die Hexe Asa mit der von Dornen übersäten Maske des Teufels
beschlagen. Sie legt einen Fluch auf die gesamte Familie Vaida. Danach
soll sie mit ihrem Geliebten, der beschuldigt wird, ein Vampir zu sein,
auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, doch ein plötzlicher Regen
verhindert dies. Viele Jahre später reisen zwei Ärzte zu einem
medizinischen Kongress. Der ältere der beiden mit dem Namen Dr. Kruvajan
entdeckt zufällig das Grab der Hexe Asa und erweckt sie zu neuem
Leben. Kurz darauf treffen die beiden Ärzte auf Katia, eine Nachfahrin
von Asa. Der junge Arzt Gorobeck verliebt sich in sie. Asa und ihr untoter
Geliebter ermorden Dr. Kruvajan und nehmen von seinem Körper Besitz.
Je mehr Blut sie saugen, desto mehr Macht und Schönheit erlangen
sie zurück. Um wieder ihr vollständiges altes Antlitz zu erlangen,
benötigt Asa das Blut von Katia. Doch bevor ihr dies gelingt, bringt
sie der aufgebrachte Mob des Dorfes zum Scheiterhaufen und verbrennt sie.
Die Erzeugung einer unheimlichen Atmosphäre durch die Lichtgestaltung
Bereits in der ersten Sequenz des Films, in welcher Asa von ihrem eigenen
Bruder verdammt wird und in seinem Auftrag gebrandmarkt und mit der Maske
Satans getötet wird, wird deutlich, wie Bava die artifiziellen Mittel
des Studios nutzte, um eine beklemmende und surreale Atmosphäre zu
schaffen. Die Kamera fährt zurück von einem lodernden Feuer
und offenbart uns die apokalyptische Szenerie eines dunklen Zeitalters.
Abgestorbene Äste stehen im Vordergrund des Bildes, dahinter befinden
sich von Gewändern vermumte Männer mit Fackeln in den Händen.
Die ganze Szenerie ist eingetaucht in einen leichten Nebel. Die Lichtquelle
ist nicht im Bildkader zu sehen, nur ein leichter Lichtschein am oberen
Bildrand simuliert den Mond in dieser alptraumhaften Kulisse. Die erste
Großaufnahme, die der Film uns präsentiert, zeigt Barbara Steele
als Asa. Sie ist in einem High-Key Stil ausgeleuchtet. Sie erstrahlt in
dieser Einstellung nicht und hebt sich kaum vom grauen Hintergrund ab,
sondern scheint darin zu verschwinden. In dieser Sequenz verwendet Bava
einen sehr weichen Kontrast, es dominieren Grautöne. Bereits hier
wird deutlich, wo er die Figur Asa ansiedelt, sie ist schön und anziehend,
strahlt aber gleichzeitig auch etwas Bedrohliches aus, wie der Mond, der
ihr Gesicht anleuchtet. Sie befindet sich jenseits von Gut und Böse,
von Weiß und Schwarz. Asa ist zu Beginn des Films in einer Grauzone
angesiedelt.
Ihr Sarg wird daraufhin in einer Krypta aufgestellt. In
dieser Szene herrscht ein Low-Key Stil vor. Der Raum ist in Schwarz getaucht,
nur der Sarkophag wird von der linken oberen Seite beleuchtet. Mit dem
Einsatz des Seitenlichts lenkt Bava den Blick und die Aufmerksamkeit des
Zuschauers auf die Grabstätte der Antagonistin. Durch den komplett
schwarzen Vordergrund und den Zoom weg vom Sarkophag erhält die Einstellung
eine enorme Tiefe. Der Spitzbogen in der Mitte des Bildes weist auf einen
gotischen Baustil hin. Bava setzt das von der Seite eintreffende Licht
als ein Schlaglicht ein. Diese Technik hat ihren Ursprung in der Chiaroscuro
Maltechnik, der Hell-Dunkel-Malerei, die während der Spätrenaissance
und im Barock entwickelt wurde. Der Terminus Schlaglicht „bezeichnet
in der Malerei einen lebhaften Lichtstrahl, durch welchen man einen Gegenstand
vorzüglich hell hervortreten lässt.“(11) Der Maler Michelangelo
Merisi da Caravaggio setzte diese Art der Lichtdarstellung häufig
in seinen naturalistischen dramatischen Bildern ein.
Nach dem Zeitsprung innerhalb des Films sehen wir die beiden
Ärzte in einer Kutsche. Es folgt eine Einstellung, welche die folgenden
Ereignisse und die Bedrohung durch die Hexe Asa bereits andeutet. Mehr
als die Hälfte des Bildkaders ist bedeckt mit schwarzen abgestorbenen
Ästen. Durch diese hindurch erkennt der Zuschauer die Kutsche, welche
auf die Kamera zufährt. In dieser Einstellung herrscht kein Kontrast
zwischen Schwarz und Weiß vor, sondern zwischen Schwarz und Grau.
Bava präsentiert uns hier das Bild eines von abgestorbenen Bäumen
gesäumten Weges, wie er auch in vielen Abbildungen von Märchen
anzutreffen ist. Dante Alighieri beschreibt einen ähnlichen Wald
in seinem Werk Die göttliche Komödie:
„Grad in der Mitte unsrer Lebensreise
Befand ich mich in einem dunklen Walde,
Weil ich den rechten Weg verloren hatte.
Wie er gewesen, wäre schwer zu sagen,
Der wilde Wald, der harte und gedrängte,
Der in Gedanken noch die Angst erneuert.
Fast gleichet seine Bitternis dem Tode,...“(12).
Der Zuschauer gelangt durch die enorme Begrenzung des Bildraums
in einen alptraumhaften klaustrophobischen Zustand, sein Blickfeld ist
beschränkt und umringt von schwarzem Gestrüpp. Bereits Balazs
sah im dunklen Wald ein filmisches Motiv, daß Angst erzeugt: „
Die unheimlich-deutlichen Gebärden der schwarzen Bäume im nächtlichen
Wald machen auch dem nüchternsten Philister bange.“(13) Das
Bild ist in sich geschlossen, dies verweist bereits auf die zukünftige
prekäre Lage der beiden Wissenschaftler. Sie können ihrem Schicksal
nicht mehr entkommen.
Als die beiden in die Krypta hinabsteigen, lässt Bava
unseren Blick mit Hilfe eines 360 Grad Schwenks durch den Raum schweifen.
Wieder setzt das Licht den Akzent auf den Sarkophag von Asa. Die anderen
Särge befinden sich im Halbschatten oder im Dunkeln, nur Asas Grabstätte
ist durch ein Oberlicht be-
leuchtet, dieses simuliert den Mond. Zwar führt der Schwenk unseren
Blick, aber das Licht setzt den bedeutenden Akzent auf ein Objekt. Der
in dieser Szene vorherrschende Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit
verstärkt die bedrohliche Stimmung der Krypta. Die Geheimnisse der
Familie Vaida liegen für die beiden Protagonisten im Dunkeln, genauso
wie die Gefahren, die dort lauern, wie zum Beispiel die große Fledermaus.
Als die zwei Helden die Krypta verlassen, treffen sie auf
Prinzessin Katia. Hier fällt besonders auf, dass Bava für diese
Figur eine vollkommen andere Beleuchtung verwendet als bei Asa. Durch
einen hellen Scheinwerfer von vorn setzt er sie ab vom schwarzen Hintergrund.
Ihre Schönheit erscheint makellos, dennoch wirkt ihr Gesicht sehr
kantig. Außerdem setzt Bava hier ein Spotlight auf die Augenpartie
von Barbara Steele. Ihre Augen erscheinen dadurch noch schöner und
zugleich trauriger. Auch hier haben wir es mit einem bekannten Lichtelement
aus der barocken Malerei zu tun, dem sogenannten Glanzlicht. Wie das Schlaglicht
setzt diese Lichtdarstellung Akzente, mit diesem Terminus „bezeichnet
man den Anteil des Lichts, der von Oberflächen reflektiert wird.“(14)
Wie sehr der Regisseur in der Lichtsetzung Kontraste zwischen
den unterschiedlichen Figuren setzte, fällt nochmals gegen Ende des
Films auf. Es gibt eine Einstellung, in der die totgeglaubte Katia aufgebahrt
in der Krypta liegt, genau an der Stelle, an der zuvor die Hexe Asa lag.
Im Gegensatz zur vorherigen Szene erscheint der Raum allerdings bedeutend
gleichmäßiger beleuchtet. Katias Körper und der sie umgebende
Raum wirken durch das Licht gereinigt. In dieser Einstellung herrscht
kein hartes und kantiges Schlaglicht vor, sondern ein wohl temperiertes
weiches Licht, welches dem Raum eine ruhigere Atmosphäre verleiht.
Die wohl berühmteste Sequenz des Films, die Auferstehung
von Asa, erhält ihre Wirkung fast vollständig durch die Lichtgestaltung.
Barbara Steele strahlt in dieser Szene etwas Bedrohliches und zugleich
erotisch Anziehendes aus. Ihre durch Atmung auf- und absinkenden Brüste
und ihr von Narben gezeichnetes Gesicht spiegeln diese Dialektik der Figur
Asa wider. Mit Hilfe eines Glanzlichts setzt Bava hier wieder einen Akzent
auf die großen Augen von Barbara Steele und betont die hypnotische
Wirkung, die von ihnen ausgeht.
Licht und Schatten
Mario Bava setzte das Licht und die Schatten nicht nur
ein, um eine Stimmung bei den Zuschauern zu evozieren, sondern er visualisierte
auch die Gemütszustände und Gefühle der Charaktere. So
stellt zum Beispiel die Lichtstärke eine Form von Stimmungsbarometer
der Figuren dar. Dies wird besonders in einer Sequenz deutlich. Die Protagonisten
sitzen in einer Schenke und trinken Wein. Das Set erstrahlt durch eine
starke High-Key Ausleuchtung. Die fröhliche Stimmung der Figuren
wird durch das helle Licht, welches durch Rauchschwaden besonders sichtbar
gemacht wird, nochmals verdeutlicht. Es gibt keine dunklen Schatten in
dieser Einstellung. Erst als das Zimmermädchen der Schenke das Lokal
verlässt, kehren die Schatten zurück. Nach der Auferstehung
von Asa überwiegen diese mehr und mehr.
Doch mit der Lichtgestaltung visualisierte Bava auch die
Ängste der einzelnen Figuren. Das Schlafgemach des Fürsten Vaida
scheint von den Schatten eingenommen zu sein. Durch dezenten Lichteinsatz
im Bildhintergrund, welches den Mondschein suggeriert, und mit Hilfe eines
Schlaglichts von der rechten Seite erzeugt Bava einen enormen Tiefeneffekt.
Dieser wird noch unterstützt durch die Anordnung unterschiedlicher
Requisiten, wie zum Beispiel den Bettpfosten oder einem kleinen Tisch.
Das Auge des Betrachters bekommt somit immer neue Reize geboten und dringt
immer mehr in das Bild ein, in einen Alptraum aus Schatten. Außerdem
haben wir es in dieser Einstellung mit einem Licht zu tun, das ständig
zum Schatten tendiert. Es flackert auf dem Gesicht des Fürsten. Das
Spiel von Licht und Schatten spiegelt somit die Angst und die Ausgeliefertheit
dieser Figur wider und steigert die alptraumhafte Stimmung dieser Sequenz.
Als der Geliebte von Asa vor dem Schlafzimmer auftaucht,
lässt Bava diesen mit Hilfe eines Dimmer-Effekts aus dem Nichts auftauchen.
Ein von links unten eingesetztes Seitenlicht lässt ihn bedrohlich
wirken. Er schwebt durch den Raum, und das Spiel von Licht und Schatten
zuckt auf seinem Gesicht.
Doch die kontrastreiche Lichtgestaltung hat auch die Rolle eines Vorboten
inne. Kurz bevor Katia vom Tod ihres Vaters erfährt, dringt das Licht
des neu angebrochenen Tages in ihr Schlafgemach. Das Licht und der Schatten,
der es durchbricht, wirken durch den Nebel noch plastischer. Mit Hilfe
dieses Effekts wird die nun vorgebrachte Botschaft des Bruders bereits
vorweggenommen. Es kündigt sich nicht nur ein neuer Tag an, symbolisiert
durch das Licht, sondern damit verbunden auch ein einschneidendes negatives
Erlebnis, nämlich der Tod des Vaters, symbolisiert durch den das
Licht durchtrennenden Schatten.
Der psychologische Einsatz des Spiels von Licht und Schatten findet auch
Verwendung in Sequenzen, die an sich nichts Unheimliches präsentieren.
Als Katia nach dem Tod ihres Vaters durch den Schlosspark wandert, bleibt
sie an einem Brunnen stehen. Die Szenerie ist hell erleuchtet, doch die
sprudelnde Fontäne des Brunnens wirft einen sich ständig bewegenden
weichen Schatten auf Katias Gesicht. Bava verwendet hier den Normal-Stil
der Lichtsetzung, das heißt „er zeigt die Objekte in etwa
so, wie wir sie bei normalem Tageslicht sehen.“(15) Durch die Hervorhebung
des sich bewegenden Schattens auf Katias Gesicht gibt Bava der Sequenz
dennoch eine geheimnisvolle Note und spiegelt den seelischen Zustand der
Figur wider. Die Ereignisse innerhalb ihrer Familie, besonders der Tod
ihres Vaters, haben Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Ihr trauriger
Gesichtsausdruck wird durch die schattenhafte Reflektion der Fontäne
auf ihrem Gesicht noch unterstrichen.
Doch Bava setzte das Licht und die damit verbundenen Schatten
nicht nur zur Psychologisierung der Figuren ein, oder um eine unheimliche
Atmosphäre zu erzeugen. Er verwendete das Spiel von Licht und Schatten
auch als eine Form von Spezialeffekt. Dies wird vor allem in der Sequenz
deutlich, in welcher der Geliebte von Asa im Geheimgang der Krypta vor
dem Sohn des Fürsten aus dem schwarzen Teil des Gemäldes erscheint.
Der Schauspieler befindet sich in dieser Einstellung nicht vor, sondern
hinter der Kamera. Er wird mit Hilfe einer Glaswand in die Szene projiziert.
Der Darsteller wird mit einem Dimmer-Effekt langsam auf die Glasscheibe
reflektiert. Für den Zuschauer wirkt das Ganze so, als würde
die Figur aus dem Nichts auftauchen. Dies ist nur ein Beispiel für
die Verwendung des Lichts zum Erzeugen von magischen Tricks bei Bava.
I tre volti della Paura
Die Entwicklung des Farbfilms brachte der Filmindustrie
und damit auch den Regisseuren neue Möglichkeiten. Im Bezug auf das
Horrorgenre bedeutete dieser technische Fortschritt vorrangig, dass von
nun an das Blut nicht mehr nur ein schwarzer Brei auf der Leinwand war,
sondern in einem knalligen Rot zu sehen war. Es entwickelte sich im Laufe
der Zeit eine Vorliebe für diese Farbe. Nach Georg Seeßlen
hat sie eine Doppelfunktion im Horrorfilm: „Sie ist das Zeichen
für den Blutmythos [...] Rot ist andererseits auch die Farbe der
Macht, den Herrschern vorbehaltenes Zeichen der Unantastbarkeit.“(16)
Durch den Farbfilm war es den Filmemachern möglich,
mehr visuelle Informationen und Reize auf dem Zelluloid unterzubringen.
Für Bavas Filme bedeutete dies somit einen noch größeren
kreativen Fundus von verschiedenen Möglichkeiten zur Erschaffung
einer Atmosphäre. Das Spiel von Licht und Schatten war erweitert
worden um die Welt der Farben. Bavas Stil der Lichtsetzung zur Erschaffung
einer Atmosphäre und zur Psychologisierung seiner Figuren wurde damit
komplexer. Der Kritiker Seeßlen sieht in der farblichen Gestaltung
der italienischen gotischen Horrofilme auch ein größeres künstlerisches
Potential als in den britischen Hammer-Produktionen der damaligen Zeit:
„Eine bewusste Imitation waren die italienischen Filme indes nur
anfänglich; insbesondere die Verwendung der Farbe für die Zeichnung
einer düsteren Atmosphäre beherrschten die italienischen Regisseure
oft besser als die der Hammer-Productions.“(17)
Bava wird gerade durch seine Arbeit mit Farben häufig
als Maler bezeichnet. Wie er zu diesem Ruf kam, soll in der folgenden
Analyse genauer untersucht werden.
Exposition und Il Telefono
Boris Karloff, der auch die Hauptrolle in der Episode Il
Wurdalak spielt, fungiert zu Beginn und am Ende des Films als Moderator.
Bereits in der Exposition zur ersten Episode zeigt Bava die ganze Farbenpracht
seiner künstlerischen Lichtgestaltung. Karloff steht vor einem meeresblauen
Hintergrund, im Vordergrund befinden sich violett erstrahlende Steine.
Die Farben tanzen auf Karloffs Gesicht. Mal ist er hell und blass beleuchtet
wie eine Leiche, dann Violett, Blau, oder in ein starkes Rot getaucht.
Bava schwankt mit dieser Farbenpracht zwischen kühler und warmer
Atmosphäre und präsentiert bereits die in den Episoden vorherrschenden
Farben.
In der Episode Il Telefono wird das Callgirl Rosy von einem
anonymen Anrufer terrorisiert. Dieser teilt ihr mit, dass er sie töten
will. Rosy glaubt, dass die Anrufe von ihrem Zuhälter und Ex-Freund
Frank kommen, der aus der Irrenanstalt entkommen ist. Sie bittet ihre
Freundin Mary, ihr Beistand zu leisten, obwohl die beiden Frauen sich
zuvor zerstritten haben. Doch Rosy ahnt nicht, dass Mary für die
Anrufe verantwortlich ist. Am Ende des Films dringt Frank in die Wohnung
ein und erwürgt Mary, bevor er von Rosy erstochen wird.
Die Wohnung von Rosy ist zunächst nur spärlich, also in einem
Low-Key Stil ausgeleuchtet. Erst durch das Anschalten des Lichts an diversen
Stellen herrscht ein High-Key Stil vor. Doch als Mary getarnt als Frank
anruft und berichtet, dass sie sich am schönen Körper des Callgirls
im hellen Raum ergötzt und Rosy verdächtige Schritte vernimmt,
schaltet sie wieder einige Lampen aus. Die Paranoia der Figur wird durch
die von den Schatten verschluckte Wohnung nur noch verstärkt. Bava
visualisiert diesen psychischen Zustand von Rosy durch ein extrem helles
Unterlicht, welches er auf ihr Gesicht legt.
Rot und Blau sind die vorherrschenden Farben in dieser Episode des Films.
Der sinnliche Mund der Protagonistin ist knallig Rot, genauso wie das
Telefon und das Bett. Das Mobiliar der Wohnung ist Blau, das durchschimmernde
Nachthemd von Rosy ist ebenfalls in einem leichten Blauton gehalten. Bava
erzeugt somit eine kühle und zugleich warme Atmosphäre, die
Figuren sind hin- und hergerissen zwischen Anziehung und Ablehnung.
Bava setzt erneut das Licht und die Farben als Vorboten
von unheilvollen Ereignissen ein. Während Mary ihre schriftliche
Entschuldigung verfasst, sitzt sie am Schreibtisch, hell erleuchtet durch
eine Lampe. Der Raum hinter ihr ist in ein kühles Blau getaucht.
Dieser Teil der Wohnung zeigt nicht nur den Beginn eines neuen Tages an,
sondern visualisiert die von Außen eindringende tödliche Gefahr,
verkörpert von dem Mörder Frank. Diese Figur bringt den Tod
mit sich, die kalte Farbe Blau umringt ihn und kündigt seine Ankunft
in dieser Sequenz bereits an. Das gelbliche warme Licht der Schreibtischlampe
wird in dieser Szene durchbrochen vom kalten blauen Farbton.
Die letzte Einstellung der Episode weist eine sehr hohe
Farbsättigung auf. Der linke Teil des Raumes ist in einem warmen
Gelb gehalten, der rechte Bereich der Szenerie, den Frank durchschritt,
weist ein kühles Blau auf. Als enormer Farbkontrast fungiert das
knallrote Telefon im Bildvordergrund. Die kälteste Farbe Violett,
erzeugt durch das Mischen von Rot und Blau, befindet sich auf der toten
Mary. Die Ereignisse kulminieren also in diesem farbenprächtigen
Ende. Die vorher verwendeten Farbtöne werden in diesem Schlussbild
noch einmal zusammengefügt.
Die Episode Il Telefono stellt die Schwächste der
drei dar. Dennoch gelingt es Bava hier, die im Raum herrschende Stimmung
zwischen den Charakteren durch die farbliche Gestaltung zu unterstützen.
Es handelt sich dabei um eine knisternde Atmosphäre von sexueller
Anziehung und unterdrückter Gewalt. Die kurze Geschichte stellt außerdem
einen kleinen giallo dar. Er weist viele Kriterien dieses Genres auf.
Leon Hunt beschreibt den giallo als ein Konglomerat verschiedener Filmgattungen:
„[...] the peculiarly Italian mixture of thriller, sexploitation
and horror/terror conventions...“(18). Außerdem beinhaltet
Il Telefono bereits die für den giallo typischen farblichen Elemente
wie die Farben Rot, Blau und natürlich Gelb. Auch das Messer als
Tatwaffe und die für dieses Genre typischen schwarzen Handschuhe
tauchen darin auf. Bava griff somit zu einem Genre, das er bereits ein
Jahr zuvor selbst etabliert hatte mit seinem Werk La Ragazza Che Sapeva
Troppo und ein Jahr später mit dem Film Sei Donne Per L’Assasino
(Blutige Seide) perfektionieren sollte.
Il Wurdalak
In dieser Episode kehrt Bava noch einmal zurück zur
klassischen Gruselgeschichte im Stil der schwarzen Romantik. In dieser
auf der Kurzgeschichte von Alexei Tolstoi basierenden Episode spielt Boris
Karloff Gorka, den Patriarchen einer Bauernfamilie, der von der Ermordung
eines Verbrechers zurückkehrt und den einzelnen Familienmitgliedern
nach und nach das Blut aussaugt und sie somit zu Vampiren macht.
Bereits durch die farbliche Gestaltung des Gehöfts
weist Bava auf das Zuhause einer dem Untergang geweihten Familie hin.
Ihr Haus ist umschlossen von einem kühlen Blau, umringt von einem
dichten Nebel. Der Regisseur erzeugt hier nicht nur eine geheimnisvolle
Stimmung, sondern präsentiert uns das Heim einer Familie, die von
der kalten Hand des Todes bereits ergriffen ist. Das Innere des Hauses
ist in einem Low-Key Stil ausgeleuchtet. Farben herrschen hier kaum vor,
stattdessen ein starker Kontrast zwischen Hell und Dunkel, wie Bava ihn
auch in früheren Filmen anwandte. Auffällig ist hier, dass durch
die Fenster blaues Licht einströmt. Ein erneutes Zeichen für
die von Außen eindringende Gefahr. Diese Farbe symbolisiert hier
nicht nur die Bedrohung, welche vom Wurdalak ausgeht, sondern ist auch
ein Hinweis auf sein Dasein als ein Untoter: „[...] this acts as
subtle indication of Gorka’s new status as an undead...“(19).
Bava unterstützt diese Wirkung des blauen Lichts noch mit Hilfe eines
kalten violetten Farbtons auf dem Gesicht des leichenblassen Gorka.
Doch der Charakter von Wurdalak wird noch mit anderen Farben beschrieben.
Als Gorka bei seiner Familie ankommt, setzt er sich an das lodernde Feuer
des Kamins. In dieser Einstellung schwankt das Farbspektrum zwischen einem
leichenblassen Weiß, einem blutigen Rot, und einem kalten Violett.
Bava verdeutlicht hier die der Figur innewohnende Gier nach Blut und verstärkt
mit dem Farbenspiel den Wahnsinn auf Karloffs Gesicht.
Mit der Rückkehr des Patriarchen taucht auch die Farbe
Blau im Inneren des Hauses auf, sie schleicht sich langsam in die Ecken
und Winkel der Zimmer. Der Tod hat somit Einzug in die Behausung der Familie
gehalten. Als Gorka sich des ersten Familienmitglieds bemächtigt,
betritt er das Schlafzimmer seines Enkels. Während die Eltern des
Jungen von einem leichten blauen Schimmer bedeckt sind, liegt der Enkel
Iwan in einem tiefen Blau. Die farbliche Gestaltung dieser Sequenz fungiert
hier erneut als Vorbote der bevorstehenden Ereignisse. Die Familie ist
dem Tode geweiht, umschlungen vom kalten Hauch des Verderbens, symbolisiert
durch die Farbe Blau.
Selbst als Vladimir mit seiner Geliebten Sdenka in eine
Ruine flüchtet, verfolgt sie diese Farbe. Auch die letzte Lebendige
der Familie kann ihrem Schicksal nicht entkommen.
Bava greift hier ein Thema auf, welches viele seiner Werke
durchstreift. Es geht um die systematische Zerstörung einer Familie
durch ein Familienmitglied. Dies war bereits in seinem Regiedebüt
ein Thema und zum Beispiel in einem seiner letzten Filme mit dem Titel
Schock. Doch während er in diesem späten Werk eher auf eine
realistische Lichtgestaltung Wert legte, ist die Episode Il Wurdalak zutiefst
artifiziell gestaltet. Gerade durch den Einsatz eines kalten blauen Farbtons
erzeugt Bava einen familiären Alptraum, aus dem es kein Entkommen
gibt. Die langsame Steigerung der Präsenz dieses Farbtons verstärkt
die klaustrophobische Wirkung der Bilder.
La goccia d’acqua
In dieser letzten Episode stiehlt die Krankenschwester
Nancy einer toten Frau einen Diamantenring. Kurz darauf wird sie von einer
aufdringlichen Fliege belästigt, die immer wieder auf ihren Ringfinger
fliegt. Als sie wieder zu Hause ist, vernimmt sie das Tropfen eines Wasserhahns,
auch die Fliege ist in ihrer Wohnung. Selbst nachdem die Krankenschwester
alle Wasserhähne kontrolliert hat, erklingt weiterhin das Tropfen.
Der Strom fällt aus, und die Tote erscheint vor ihr. Am nächsten
Morgen wird die junge Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Es scheint,
als habe sie sich selbst erwürgt. Den Ring trägt nun ihre Vermieterin,
doch auch sie wird plötzlich von einer Fliege belästigt.
Bava führt zunächst die Lichtquelle ein, welche im späteren
Verlauf des Films zu einem wichtigen spannungserzeugenden Element wird.
Außerhalb der Wohnung befindet sich eine defekte Straßenlaterne,
welche einen aufflackernden grünen Lichtschein in das Apartment wirft.
Als die Krankenschwester Nancy in der Residenz der Verstorbenen
angekommen ist, öffnet ihr die Haushälterin die Tür. Aus
einer Untersicht präsentiert uns die Kamera den Eingangsbereich des
großen Anwesens der alten Dame. Durch unterschiedliche Farbtöne
erreicht Bava hier eine surreale Lichtstimmung. Außerdem bekommt
der Raum durch die Position der Kamera eine enorme Tiefe. Während
der obere Teil der Halle in ein kaltes Violett getaucht ist, erstrahlt
der linke Teil des Raumes in einem grellen giftigen Grün. Bava steigert
die surreale Stimmung der Sequenz durch die chaotische Anordnung verschiedener
Objekte am Boden. Dort liegen Karten von spiritistischen Sitzungen, kleine
Puppen und umgestoßene Möbel. All diese Objekte gepaart mit
dem grellen Grün hinterlassen ein unbehagliches Gefühl beim
Zuschauer.
Das Sterbebett der alten Dame ist in einen bunten wabernden
Reigen von Farben getaucht. Diese scheinen zu schwimmen und tanzen sowohl
auf dem Gesicht der Toten als auch auf dem der Krankenschwester. Bava
greift hier bereits das Motiv des Wassers auf, daß im Verlauf der
Ereignisse eine große Bedeutung haben wird und als Ankündigung
der Rache der Toten fungiert.
Als Nancy wieder ihre Wohnung betritt, erscheint erneut die Fliege, und
das Geräusch des Wassertropfens ertönt. Diese beiden Elemente
verkörpern das schlechte Gewissen der Protagonistin, sie führen
ihr immer wieder ihre schlechte Tat vor Augen. Auch die draußen
flackernde Laterne hat nun eine ganz andere Bedeutung als zu Beginn des
Films. Das Licht der Laterne symbolisiert den Verdrängungsakt von
Nancy und taucht die Wohnung mal in ein tiefes Schwarz, dann wieder in
ein grelles Grün.
Urplötzlich verändert Bava die Stimmung der Szene.
Das Licht in der Wohnung geht aus, Nancy gerät in Panik. Jetzt herrscht
nur noch das flackernde kalte Grün der Strassenlaterne vor. Bava
steigert hier die Atmosphäre ins Unermessliche, indem er den Raum
im Schwarzen versinken lässt. Der Zuschauer kann seiner Phantasie
und seiner Angst nun freien Lauf lassen.
Diese letzte Episode des Films stellt die spannendste der drei Geschichten
dar. Besonders durch das Spiel von Licht und Dunkelheit am Ende des Films
erzeugt Bava ein Gefühl des Unbehagens im Betrachter. Die kommenden
Ereignisse liegen im Dunkeln und können somit weder von Nancy noch
vom Zuschauer vorhergesehen werden.
Fazit
Der moderne Horrofilm versucht eine vollkommen andere Wirkung
beim Zuschauer zu erzeugen als die Werke von Mario Bava. Dies hat sicherlich
auch damit zu tun, dass das Kino mit der Zeit gehen muss und die Sehgewohnheiten
des Publikums bedienen will. Die besonders durch das Musikfernsehen verbreitete
rasante Montage und das Einfügen von zahlreichen Subliminalbildern
in den Horrorfilm dienen heute mehr den je zur Verwirrung und zum Schockieren
des Zuschauers. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das
Remake von The hills have eyes von Alexandre Aja. Während das Original
von Wes Craven eher eine ruhige Montage aufweist, bedient sich das Remake
einer schnelleren Schnitttechnik und setzt dem modernen Anspruch gerecht
auch mehr auf Splatter-Szenen.
Doch gerade im Bereich der neueren Horrorfilme, die sich
bemühen, eine klassische Gruselgeschichte zu präsentieren, ist
der Einfluss von Mario Bava unübersehbar. So geben zum Beispiel Regisseure
wie Tim Burton offen zu, dass sie sich beim italienischen Filmemacher
bedient haben. Burton sagte in einem Interview, dass er sich für
die atmosphärische Gestaltung seines Films Sleepy Hollow verschiedene
Motive von Bava entliehen hatte. So zum Beispiel das Motiv des dunklen
Waldes aus La Maschera del Demonio. Auch Sean Cunningham bediente sich
für seinen Slasherfilm Friday the 13th bei Mario Bavas Film The Twitch
of the death nerve. Er ging dabei allerdings soweit, daß er ganze
Szenen so inszenierte, wie Bava es in seinem Film getan hatte. Unter diesem
Gesichtspunkt kann man schon von einem Plagiat sprechen.
Es sind gerade europäische Regisseure des Horrorfilms,
die eine ähnliche atmosphärische Lichtgestaltung präsentieren
wie der italienische Filmemacher. Der von Jaume Balaguero realisierte
Film mit dem Titel Los Sin Nombre weist eine hohe Farbsättigung auf
und zeigt darüber hinaus eine dem Untergang geweihte Welt der Schatten,
wie sie Bava bereits in seinen frühen Werken präsentierte. Auch
der Film The Others von Alejandro Amenabar stellt eine zutiefst klassische
Schauergeschichte dar, die besonders viel mit Licht und Dunkelheit arbeitet
und den Einfluss von Bavas Spiel von Licht und Schatten offensichtlich
macht. Die farbliche Gestaltung der giallos von Dario Argento ist ebenfalls
angelehnt an die des Erfinders dieses Genres. In den damaligen Filmen
von Mario Bava lässt sich etwas ausmachen, daß in den modernen
Horrorfilmen fast gänzlich verschwunden ist. Nämlich eine gruselige
Atmosphäre, die beinahe vollständig auf der lichtgestalterischen
Komposition der Werke beruht. Besonders mit Hilfe des kontrastreichen
Spiels von Licht und Schatten gelang es Bava, eine alptraumhafte und pulsierende
Stimmung zu erzeugen. Die Zutaten für den modernen Horrorfilm sind
hingegen zum größten Teil Special-Effects und eine schnelle
Montage, die den Zuschauer regelrecht überrollt. Die für heutige
Sehgewohnheiten langsamen Filme von Mario Bava können dem Zuschauer,
der sich auf seine Werke einlässt, helfen, seinen Blick für
Farben und für die gestalterische Bedeutung von Licht und Schatten
im Film zu schulen. Gerade in der farblichen Gestaltung im Film setzte
Bava Maßstäbe und erkannte die Möglichkeiten des Farbfilms.
Denn wer seine Werke anschaut und „glaubt einfach nur Farben zu
sehen, der liegt falsch. Es sind Farben, die uns alles über uns selbst
erzählen. Es sind zutiefst anbetungswürdige Farben.“(20)
Anmerkungen
(1) Monaco, James: Film Verstehen. Rowohlt Taschenbuch
Verlag Reinbek bei Hamburg 1995, Seite 566.
(2) Paul, Louis: Inferno Italia - Der italienische Horrorfilm. Bertler+Lieber
Verlag München 1998, Seite 110.
(3) Paul, Louis: Inferno Italia - Der italienische Horrorfilm..., Seite
4.
(4) Dr. Weiß, Joachim: Meyers Taschenlexikon in 12 Bänden.
Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim 1996, Seite
1336.
(5) Lovecraft, Howard Phillips: Die Literatur der Angst - Zur Geschichte
der Phantastik. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995, Seite 24 - 25.
(6) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Suhrkamp
Verlag Frankfurt am Main 2001, Seite 59.
(7) Hahn, Ronald M., Jansen Volker: Lexikon des Horrorfilms. Bastei Verlag
Bergisch Gladbach 1985, Seite 413.
(8) Seeßlen, Georg: Horror - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms.
Schüren Verlag München 2006, Seite 268.
(9) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch...Seite 30.
(10) Keßler, Christian: Monster, Mirakel und diese seltsamen Farben.
EMS Dortmund 2004, Seite 2.
(11) http://de.wikipedia.org/wiki/Schlaglicht
(12) Alighieri, Dante: Die göttliche Komödie. Reclam Verlag
Stuttgart 1976, Seite 4.
(13) Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch...Seite 59.
(14) http://de.wikipedia.org/wiki/Glanzlicht
(15) Kandorfer, Pierre: Dumont´s Lehrbuch der Filmgestaltung - Theoretisch-technische
Grundlagen der Filmkunde. Dumont Buchverlag Köln 1984, Seite 297.
(16) Seeßlen, Georg: Kino des Phantastischen - Geschichte und Mythologie
des Horrorfilms. Rowohlt Taschen- buch Verlag Reinbek bei Hamburg 1979,
Seite 39.
(17) Seeßlen, Georg: Horror - Geschichte und Mythologie des Horrorfilms.
Schüren Verlag München 2006, Seite 260.
(18) Hunt, Leon: A (sadistic) night at the opera: Notes on the italian
horror film. In: Gelder, Ken (Hrsg.): The Horror Reader. Routledge New
York 2001, Seite 330.
(19) http://members.tripod.com/mario bava/sabbath.htm
(20) Keßler, Christian: Monster, Mirakel und diese seltsamen Farben...,
Seite 2.
Literaturverzeichnis:
Alighieri, Dante: Die göttliche Komödie.
Reclam Verlag Stuttgart 1976.
Balazs, Bela: Der sichtbare Mensch oder die Kultur
des Films. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2001.
Hahn, Ronald M., Jansen Volker: Lexikon des Horrorfilms.
Bastei Verlag Bergisch Gladbach 1985.
Hunt, Leon: A (sadistic) night at the opera: Notes
on the italian horror film. In: Gelder, Ken (Hrsg.): The Horror Reader.
Routledge New York 2001.
Kandorfer, Pierre: Dumont´s Lehrbuch der Filmgestaltung
- Theoretisch-technische Grundlagen der Filmkunde. Dumont Buchverlag Köln
1984.
Keßler, Christian: Monster, Mirakel und diese
seltsamen Farben. EMS Dortmund 2004.
Lovecraft, Howard Phillips: Die Literatur der Angst
- Zur Geschichte der Phantastik. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995.
Monaco, James: Film Verstehen. Rowohlt Taschenbuch
Verlag Reinbek bei Hamburg 1995.
Paul, Louis: Inferno Italia - Der italienische Horrorfilm.
Bertler+Lieber Verlag München 1998.
Seeßlen, Georg: Horror - Geschichte und Mythologie
des Horrorfilms. Schüren Verlag München 2006.
Seeßlen, Georg: Kino des Phantastischen - Geschichte
und Mythologie des Horrorfilms. Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei
Hamburg 1979.
Dr. Weiß, Joachim: Meyers Taschenlexikon in
12 Bänden. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim
1996.
VI. Internetverzeichnis:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlaglicht
http://de.wikipedia.org/wiki/Glanzlicht
http://members.tripod.com/mario
bava/sabbath.htm
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